Straßenfeger von damals

Am Portal eines großen Krankenhausgebäudes im Touristenort Glottertal prangt immer noch das Schild mit der Aufschrift „Schwarzwaldklinik“. Vor 40 Jahren, am 22. Oktober 1985, startete der ZDF-Serienklassiker „Die Schwarzwaldklinik“ mit Stars wie Klausjürgen Wussow und Gaby Dohm. Das ist lange her. Doch die abgelegene Klinik bei Freiburg zieht weiter Schaulustige an, obwohl ein Zaun den Zutritt verwehrt, Schilder vor einer Durchfahrt warnen und Besichtigungen tabu sind.

Zum Jubiläum ist beim ZDF kein Special geplant, wie eine Sprecherin berichtet. Die Sendung wird allerdings am Jubiläumstag prominent im Streamingportal des Senders platziert. Abrufvideos der Serie sind gefragt: Sie kamen im vergangenen Jahr im Schnitt auf gut 641.000 Klicks pro Monat – im Dezember waren es sogar 1,61 Millionen gewesen.

Für die einen Kitsch, für die anderen gute Unterhaltung: „Die Schwarzwaldklinik“ galt damals als deutsche Antwort auf US-Dauerbrenner wie „Dallas“ oder „Der Denver-Clan“. Produzent Wolfgang Rademann ließ sich von der tschechischen Fernsehserie „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“ inspirieren. „Die Schwarzwaldklinik“ wurde zum Straßenfeger und gilt bis heute als ein Meilenstein der TV-Geschichte. Bis zu 28 Millionen Menschen pro Folge saßen damals allein im damaligen Westdeutschland vor den Fernsehgeräten.

Alles Geschichte? Das Stilmöbel-Dekor wirkt in der Tat inzwischen etwas altmodisch. Doch für Erfolgsproduzentin Beatrice Kramm (60) ist die Serie überhaupt nicht von gestern. Denn es geht um emotionale Dramen, wie sie sagt. „Die menschlichen Konflikte sind weiter aktuell. Sie sind sogar sehr spannend erzählt“, resümiert die Geschäftsführungsvorsitzende der TV-Firma Polyphon Film.

1989 war mit der „Schwarzwaldklinik“ nach 73 Folgen Schluss. 2005 gab es zwei Sonderausgaben. Immer wieder kommt von Fans die Frage nach einer möglichen Wiederauflage der Serie mit Kultstatus. Produzentin Kramm sagt dazu, die „Schwarzwaldklinik“ sei als Marke sehr bekannt. In den USA gebe es viele Remakes, also Neuauflagen. „Es wird generell jedes Format angeschaut, um von einer Marke zu profitieren.“ Produzent Rademann hatte einen Neustart stets abgelehnt: „Eine Wiederbelebung würde dem Original schaden“ – so lautete sein Credo.

Kultserie „Die Schwarzwaldklinik“ ist ein Meilenstein des deutschen Fernsehens. Warum diese Arztserie auch 40 Jahre nach ihrem Start immer noch aktuell ist.

Anstiftung zum Mord?

Polizeiruf 110 In „Tu es!“ bekommen es die Kommissarinnen König und Böwe mit einem bizarren Fall zu tun. Er erinnert an reale Geschehnisse in Hamburg.

Gerade einmal zwei Worte. „Tu es!“ ist in einer Textnachricht zu lesen, die ein junger Mann in einer Straßenbahn erhält. Eine ihm gänzlich unbekannte junge Managerin, die mit ihm in der Bahn sitzt, wird daraufhin zum Zufallsopfer. Erst ermordet er sie, dann richtet er sich selbst.

Der Text stammt von dem jungen Lehrer Felix Lange (Sebastian Jakob Doppelbauer). Der junge Täter war zuvor in einem Internetforum aktiv, wo er von einem Teilnehmer manipuliert wurde. War es eine Anstiftung zu der Tat?

Vieles an dem neuen Fall, dem sich die Kriminalhauptkommissarinnen Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Melly Böwe (Lina Beckmann) in Rostock im neuen „Polizeiruf 110“ mit dem Titel „Tu es!“ gegenübersehen, erinnert an einen realen Hamburger Fall: Ein Mann mit dem Decknamen „White Tiger“ soll mutmaßlich Kinder und Jugendliche über das Internet manipuliert und sogar in den Suizid getrieben haben.

Zurück zum TV-Fall: Kurz zuvor hatte der Lehrer Felix Lange auch Kontakt zu Lara Trensbach, einer jungen Frau in einer psychischen Ausnahmesituation, die nach einer Vermisstenmeldung von dem Kriminaloberkommissar Volker Thiesler (Josef Heynert) noch bei ihrem Vater aufgespürt wird, aber wenig später vor seinen Augen Suizid begeht.

Es ist ein komplexer Fall, den Autor Florian Oeller hier erzählt, der seine Pfade und Spuren gleich zu Beginn in wenigen Szenen ausbreitet. Die Regie des jungen Autodidakten Max Gleschinski ist von Anfang an ambitioniert angelegt. Schon die Ouvertüre wartet mit raschen Szenenwechseln auf, die die Zuschauer zu Beginn herausfordern. Die Handelnden bleiben dabei zunächst sehr auf Abstand. Es braucht eine Weile, bis etwas Ruhe und Stringenz in den Fall hineinkommt.

Angereichert wird die Ermittler-Arbeit mit persönlichen Elementen, die das Leben der Dezernatskollegen stärker in den Fokus rücken. Erneut überzeugt Uwe Preuss als souveräner, aber auch psychologisch klug handelnder Vorgesetzter Henning Röder. Ermittler Anton Pöschel (Andreas Guenther) versucht derweil, seine Einsamkeit mit käuflichem Sex zu betäuben. Melly Böwe sucht nach ihrer abgetauchten Tochter. Ausgerechnet ihr Chef Röder bietet ihr die Chance, an den ihr unbekannten Namen des Mannes zu gelangen, der sie seinerzeit vergewaltigt hatte. Katrin König wiederum begegnet ihrem eigenen Vater nach jahrelanger Entfremdung wieder.

Melly Böwe und Katrin König nähern sich erstmals jenseits ihrer Frotzeleien an. Vor allem König legt ihre vorgeschützte Distanziertheit ab. Doch die Themen des Falls haben es in sich. Sie offenbaren eine dunkle Stadt, kühle, von Neonlicht erleuchtete Büros und junge Menschen in schweren Krisen.

Warm werden die Farben da, wo der von Schauspieler Sebastian Jakob Doppelbauer fast manisch dargestellte Lehrer ins Spiel kommt. Von Idealismus getrieben, gerät er in eine Überforderung hinein, vernachlässigt sein eigenes Leben. Am Ende scheitert er an der Komplexität der Welt.

Mehrere Handlungsstränge implodieren im Finale des Falls miteinander. Einige Fragen aber bleiben offen und nicht alles folgt am Ende einer Logik. Eines jedoch haben die Macher dieser Folge erreicht, man ist in jedem Fall gespannt darauf, wie es mit dem Dezernat und seinen Figuren weitergeht.

„Polizeiruf 110: Tu es!“, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr

< VORHERIGE SEITE NÄCHSTE SEITE >