Begegnung in Achtung

  • Karin Bertheau Pfarrerin Kirchengemeinde Müncheberger Land Foto Studio Megg

„Gott hat uns lieb!“, ruft mir die Frau im Weitergehen noch zu. Ja, ich habe bei unserer Begegnung etwas gejammert an diesem kalten, nieseligen Oktobermorgen. Alles trübe und grau in grau und dann noch so früh Termine an der frischen Luft. Sie hat ja recht, aber ich bin mir nicht immer sicher, ob nicht manches, was ich erlebe, was mich und meine gute Laune herausfordert, nicht eher doch eine göttliche Prüfung ist als ein Liebeszeichen.

Im Großen und Ganzen weiß ich, dass auch ich meistens das Gute sehen kann, dass das Vertrauen in Gottes Liebe mich trägt. So dass ich gelegentlich ganz bewusst und nur für mich ein Lächeln aufsetzen kann gegen das Trübe, den Herbst, den Nebel, die Kälte und Feuchtigkeit.

„Wer Gott liebt, der liebe auch seinen Bruder“, belehrt uns der Wochenspruch aus der Bibel für die nächste Woche (1 Johannesbrief 4,21). Das ist eine kurze Zusammenfassung des Gebotes der Nächstenliebe. Diese liebevolle Schlussfolgerung ist ein einfacher Hinweis auf den achtsamen Blick, mit dem ich anderen begegnen soll. Nächstenliebe gilt nicht nur Verwandten, sondern wem auch immer ich begegne, über den Weg laufe, ein paar Sätze wechsle.

Jeder Begegnung, spontan oder absichtlich, gilt diese Aufforderung zu Respekt und Empathie - einem Mitgefühl auf Augenhöhe. Nächstenliebe ist eine innere Haltung, nicht überlegen und mitleidig, auch nicht unterlegen und unterwürfig, sondern Begegnung in einer guten Achtung. Wenn ich den Anfang mache, dann kommt diese Achtung vielleicht von dem oder der mir gerade Nächsten auch wieder zurück. Denn: „Gott hat uns lieb!“ Dieser Abschiedsgruß im Weitergehen erfüllt mich mit Frieden. Entwaffnet von allen unguten Gefühlen, lichtet meine trüben Gedanken, wirkt in mir, lässt mich lächeln. Gott sei Dank!

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