Hürdenlauf bis zur Anmeldung

  • Schilder, Papiere, Wartemarken – das soll bald vorbei sein. Die Bundesregierung verspricht die digitale Autoanmeldung vom Sofa aus. Foto: Lars Franzen/Kroschke Gruppe/obs/dpa

Verwaltung Eine „Modernisierungsagenda“ hat die Bundesregierung beschlossen. Digitalisierung ist ein Baustein. Aber was bedeutet das konkret? Drei Beispiele aus dem Alltag.

Von einer „Modernisierung, die nichts kostet“ spricht Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU): Gemeint ist der „umfassende Rückbau der Bürokratie“, den Union und SPD sich im Koalitionsvertrag vorgenommen hatten. Leisten soll das vor allem das neue Staatsmodernisierungs-Ministerium mit dem früheren Manager Karsten Wildberger (CDU) an der Spitze. Sein Plan heißt „Modernisierungsagenda“. Dieser „kraftvolle Aufschlag“, so der Wirtschaftsverband DIHK, müsse jetzt aber auch umgesetzt werden. „Die bisherige Erfahrung zeigt, dass sehr gute Ideen oft an wenigen Einzelinteressen oder Bedenken scheitern können“, warnt Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov. Drei Beispiele:

Wenn der Bürger sein Auto im Internet anmelden will: Ein paar Daten eingeben, klicken, fertig – Autoanmeldung vom Sofa aus versprach die Regierung schon vor Jahren. Vollumfänglich möglich ist die internetbasierte Fahrzeugzulassung (i-KfZ) seit 2023, aber nicht mal 16 Prozent der Meldungen werden digital erledigt.

Bislang also nicht gerade ein Erfolgsmodell. Was unter anderem daran liegt, dass das Verfahren eben nicht vollständig digitalisiert ist, sondern der Bürger zum Beispiel verdeckte Sicherheitscodes auf Plaketten und Papieren buchstäblich freikratzen muss, um sich und sein Fahrzeug zu identifizieren. Hinzu kommt: In Deutschland gibt es rund 400 Zulassungsstellen mit jeweils eigenen Portalen. Diese haben wahlweise mit Softwareproblemen, fehlendem Personal oder den hohen Sicherheitsstandards zu kämpfen.

Die Lösung von Schwarz-Rot lautet daher: Zentralisierung. „Wenn Bürgerinnen und Bürger ihr Fahrzeug online an-, ab- und ummelden wollen, soll das künftig zentral über das Kraftfahrtbundesamt möglich sein“, teilte die Bundesregierung mit. Die Zulassungsbehörden würden so erheblich entlastet – und damit auch die Kommunen. Den Bürgern werde zugleich das Leben erleichtert und die Dienstleistung verbilligt. Wildbergers Zeitplan: 18 Monate.

Wenn der Staat seinem Bürger Geld aufs Konto zahlen will: Kassiert der Staat Geld von seinen Bürgern, scheitert dies nur selten an einer fehlenden Kontonummer. Sollte aber umgekehrt der Staat dem Bürger etwas auszahlen, war das bislang – leider, leider – schwierig. Offensichtlich wurde das während der Corona-Pandemie oder der Energie-Krise, als Staatshilfen oft nur über Umwege fließen konnten. Legendär das Eingeständnis des früheren FDP-Finanzministers Christian Lindner vor drei Jahren: Die elfstellige Steuer-Identifikationsnummer jedes Deutschen mit seiner 22 Zeichen umfassenden Kontonummer (IBAN) zusammenzubringen, sei eben „nicht so einfach“.

Inzwischen aber hat das Bundesfinanzministerium Vollzug gemeldet: „Das zum 1. März 2024 eingerichtete Projekt Direktauszahlungsmechanismus (DAM) wurde fristgerecht zum 31. März 2025 erfolgreich abgeschlossen.“ Im Falle künftiger Hilfsbeschlüsse sind demnach „antragsbasierte, unbare und kassensichere Direktauszahlungen“ möglich. Aber, so teilt das Ministerium auf Anfrage mit: „Hier sind die Bürgerinnen und Bürger nun aktiv gefragt“. Sie müssen nämlich entweder ihre Hausbank mit der Übermittlung ihrer IBAN an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) beauftragen oder diese selbst vornehmen. Das wiederum soll jetzt „benutzerfreundlich“ per App mit dem schon weniger benutzerfreundlichen Namen „BZSt IBAN+“ gehen. Kleiner Hinweis: Benötigt wird dafür entweder ein Elster-Benutzerkonto oder ein Bund-ID-Konto! Erstaunlich ist, dass es dieser offenbar fertige Mechanismus in die Modernisierungsagenda geschafft hat.

Wenn ein Unternehmer sein Unternehmen anmelden will: Eine Idee, eine Garage und los? Von wegen! Wer in Deutschland ein Unternehmen gründet, sollte sich unter anderem mit folgenden Institutionen vertraut machen: Finanzamt, Handelsregister, Handelskammer, Gewerbeaufsicht und Förderbank. „Es ist sinnvoll, sich aus Zeitgründen mit vielen Behörden gleichzeitig zu beschäftigen“, heißt es mahnend auf einer Ratgeberseite im Auftrag der Bundesregierung.Digital und binnen 24 Stunden?

Auch Unternehmensgründungen sind in Deutschland dezentral organisiert, rund 6000 verschiedene Verfahren gibt es auf kommunaler Ebene. Die Modernisierungsagenda verspricht nun ein „zentrales Webportal zur digitalen Anmeldung“ sowie eine „Unternehmensgründung in 24 Stunden“. Bis es soweit ist, könnte es nach Angaben von Wildberger allerdings noch knapp zwei Jahre dauern. Nicht ausgeschlossen auch, dass es am Ende statt 24 womöglich 48 Stunden sind.

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