Bürokratie als Monster?

  • Ämter sind für alle da. Sie schützen auch vor Willkür. Foto: dpa

Ausufernde Regeln und Kontrollen kosten Geld, Zeit und Nerven. Aber Bürokratie kann Leben retten, das Zusammenleben sinnvoll regeln und die Demokratie fördern.

Sie dürfen kein Haus im Naturschutzgebiet bauen? Wenn es Sie tröstet: Das darf auch kein anderer. Bauaufsicht und Umweltbehörden wachen darüber. Wir leben nicht in einer unbürokratischen Bakschisch-Republik. Die Ämter mögen zwar nerven, aber sie nerven jeden.

Der berühmte Soziologe Max Weber beschrieb einen bürokratischen „Idealtypus“. Eine professionelle Verwaltung hätte die „rationale Pflege von, durch Verbandsordnungen vorgesehenen, Interessen, innerhalb der Schranken von Rechtsregeln, und: nach allgemein angebbaren Prinzipien“ zur Aufgabe. Marco Buschmann (FDP), der ehemalige Justizminister, schrieb in einem Aufsatz für die FAZ über Max Weber, dass dieser „auch den geschichtlichen Gewinn klarer und verlässlicher Regeln gegenüber Formen persönlicherer und weniger formalisierter Macht mit ihrem Willkürpotential“ aufzeigte. Zudem spreche er von einem „modernen Beamtentum als einer integren und hoch qualifizierten geistigen Arbeiterschaft, ohne die uns furchtbare Korruption und gemeines Banausentum drohten“.

Stahlhartes Gehäuse

Allerdings wies der promovierte Jurist Buschmann ganz besonders auch auf die Sorgen Webers hin, der das „stahlharte Gehäuse“ der Bürokratie sah, weswegen er aus Buschmanns Sicht heute ein Befürworter des Bürokratieabbaus wäre.Die deutsche Verwaltung ist zwar immer größer geworden, deswegen aber nicht zwangsläufig schlechter. Für den Soziologen Berthold Vogel von der Uni Göttingen ist sie im Vergleich zu früheren Jahrzehnten mehr auf die Beteiligung der Betroffenen ausgelegt, transparenter und bürgernäher. Grundsätzlich ist für ihn „die Bürokratie der erfolgreiche Versuch, das Recht des Stärkeren einzudämmen“, wie er der „Zeit“ sagte, auch wenn Vogel selbst beklagt, dass er als Soziologe am Arbeitsplatz Formulare ausfüllen muss, die den Umgang mit giftigen Chemikalien zum Inhalt haben. Dagegen stellt der Arzt Eckart von Hirschhausen klar: „Bürokratie rettet Menschenleben“. Sein Beispiel ist der Arzneimittelmissbrauch: „Warum haben die USA so viel mehr Opioid-Tote als wir in Deutschland?“ Antwort: „Weil es hierzulande für Betäubungsmittel Rezepte braucht.“ Eine effektive Kontrolle der Rezeptpflicht sichert demzufolge Gesundheit und Leben.

Ohne Bürokraten gäbe es keine Kontrolle.

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