„Wer Probleme macht, der muss und wird gehen“
Interview Der Umgang mit Flüchtlingen ist in Brandenburg Dauerthema. Innenminister René Wilke nennt Ideen, um Gewalt-Probleme in Cottbus zu lösen. Und Orte, wo die neue Übergangseinrichtung errichtet werden soll.
Die SPD-BSW-Landesregierung will ein deutliches Zeichen setzen, dass sie sich stärker um Abschiebungen und Integration kümmert. Lösen soll das Problem Innenminister René Wilke (parteilos). Es geht dabei um neue Einrichtungen des Landes, aber auch um die Frage, wie mit auffälligen oder kriminellen Migranten umgegangen werden soll, die bereits in den Kommunen Brandenburgs leben.
Herr Wilke, Sie haben mit dem Landesaufnahmegesetz eine ganze Batterie an neuen Einrichtungen für Asylbewerber geplant. Wann geht es damit los?
Das ist ein ganz zentrales Vorhaben und es ist mir auch besonders wichtig. Wir haben es mit der kommunalen Familie abgestimmt und vereinbart. Mit der neuen Struktur wird die Erstaufnahme sich vorrangig der Erstversorgung und der Frage der realistischen Perspektive widmen, also ob derjenige, der nach Brandenburg gekommen ist, ein Recht hat, hier zu sein oder nicht.
Die Übergangseinrichtung wird sich um Menschen kümmern, die hier sind, eine eventuell unklare Bleibeperspektive haben, aber aus objektiven Gründen nicht abgeschoben werden können. Diese Menschen sollen verpflichtende Sprachangebote, Praktika und Arbeitsmöglichkeiten erhalten. Im besten Fall können sie ihre Bleibeperspektive durch aktive Integration verbessern und so eventuell Teil unserer Gesellschaft werden. Wenn nicht, haben sie diese Chance verwirkt.
Was passiert in so einem Fall?
Die Ausreiseeinrichtung legt den Fokus auf freiwillige Ausreisen und bietet entsprechende Beratungen. Die Menschen sollen selbst zu der Erkenntnis gelangen, dass es besser ist, Zwangsmaßnahmen zuvorzukommen. Damit sind wir derzeit sehr erfolgreich und erreichen deutlich steigende Zahlen. Aber auch Abschiebungen sind ein Mittel. Die Abschiebehaft ist eine Notwendigkeit für einige wenige Fälle, in denen es um den Schutz vor Menschen geht, von denen Gefahren ausgehen oder die sich inakzeptabel verhalten haben.
Die Frage, wann die Einrichtungen an den Start gehen, haben Sie noch nicht beantwortet…
Der Zeitplan für das Gesetz hängt vom Diskussionsbedarf im Landtag ab. Ich rechne damit, dass es spätestens im ersten Quartal des nächsten Jahres verabschiedet werden wird – gern auch früher. Wir sind bis dahin aber schon tätig und bereiten die Übergangseinrichtung und die Ausreiseeinrichtung vor. Damit es dann zügig an den Start gehen kann.
Können Sie bestätigen, dass die Übergangseinrichtung in Frankfurt (Oder) eingerichtet werden soll?
Die erste derartige Einrichtung werden wir in Frankfurt (Oder) errichten und damit die bestehende Erstaufnahme dort ablösen. Wir sind bereits mit den Vorabstimmungen und Vorbereitungen zu Gange. Wir werden in der ersten Jahreshälfte 2026 dort an den Start gehen. Über die abschließenden Kapazitäten können wir aber noch keine endgültigen Aussagen treffen. Es wird jedenfalls keine Erweiterung zu den aktuellen Größenordnungen geben, sondern, auch aufgrund der deutlich sinkenden Zahlen, eher kleiner.
Sie sprechen von der ersten Übergangseinrichtung. Wird es mehrere geben?
Das hängt von der Entwicklung der Zahlen ab. Es waren mal bis zu drei im Gespräch. Das überprüfen wir anhand der Entwicklung.
Gibt es schon Genaueres zur Ausreiseeinrichtung?
Da ist der Zeitplan ganz ähnlich. Wir befinden uns in der Endphase von Gesprächen mit einer Kommune. Ein paar Rahmenbedingungen sind noch zu klären.
Die Zuwanderungszahlen sind seit dem vergangenen Jahr stark zurückgegangen. Gehen Sie davon aus, dass es für die Brandenburger von vorrangiger Bedeutung ist, wo und in welchen Einrichtungen Asylbewerber untergebracht sind?
Das Thema Migration ist immer noch von Bedeutung. Die rückläufigen Zahlen sind wahrscheinlich noch nicht im Lebensgefühl der Menschen angekommen. Ich hoffe, dass sich das allmählich ändern wird. Die Aufnahmezahlen für die brandenburgischen Kommunen wurden zum zweiten Mal für 2025 nach unten korrigiert. Wir sind aktuell bei unter 5000. Das ist ein Bruchteil früherer Zahlen. Dass wir jetzt gleich fragen, hast du ein Recht herzukommen oder nicht, und entsprechend handeln, wird sicher wahrgenommen.
Unabhängig von den neuen Einrichtungen, das Problem von auffälligen Jugendlichen oder kriminellen Banden, wie sie nicht zuletzt in Cottbus zu erleben waren, wird so nicht behoben.
Das ist tatsächlich eine andere, komplizierte Baustelle. Wir haben Brennpunkte und müssen damit ganz aktiv umgehen. Wenn wir den konkreten Fall in Cottbus nehmen, mischen sich dort teilweise mehrere Problemlagen. Die Stadt muss beispielsweise über eine andere Verteilung innerhalb der Stadt nachdenken. Das hat Vor- und Nachteile. Als Land und Kommunen müssen wir über die Verteilung gegenüber der Stadt Cottbus reden. Was aber zunächst wichtig ist: Es wurden bereits sehr viele abgestimmte und wirksame Maßnahmen von der Schule, dem staatlichen Schulamt, der Prävention und der Polizei ergriffen.
Sie hatten als Oberbürgermeister von Frankfurt darüber geklagt, dass einzelne Kriminelle ganze Stadtteile beunruhigen können, ohne dass die Justiz das zu unterbinden vermag. Wie gehen Sie jetzt als Innenminister das Problem an?
Wir haben eine Taskforce für straffällige, ausreisepflichtige Asylbewerber. Dahin werden die Fälle, ob aus Frankfurt, Fürstenwalde oder auch aus Cottbus, übergeben. Der Bund verhandelt gerade mit Afghanistan und Syrien, um Straftäter in diese Länder abschieben zu können. Eine alte Forderung auch von mir. Die Innenminister rechnen hier mit einem Durchbruch bis zum Ende des Jahres. Wenn das passiert, ist es eine richtige Trendwende. Nicht nur, weil wir diese Personen loswerden, sondern auch, weil es eine massive Signalwirkung haben wird. Wer Probleme macht, muss und wird gehen.
Darüber hinaus gibt es einen Personenkreis von nicht integrierbaren, nicht unbedingt kriminellen Menschen, die immer wieder Probleme machen. Anfang des Jahres gab es eine Erhebung in den Kreisen, die auf eine mittlere dreistellige Zahl kam. Wie kann man die Kommunen da entlasten?
Da muss man differenzieren. Einige sind noch erreichbar oder brauchen bessere Betreuung und Begleitung. Und von wieder anderen müssen wir uns trennen. Wir haben gerade einen Diskussionsprozess mit den Sozialdezernenten der Landkreise gestartet. Dabei wird auch darüber gesprochen, Personen aus einem problematischen Umfeld herauszulösen.
Am Beispiel Cottbus kann ich mir gut vorstellen, dass wir einzelne Akteure rausnehmen, sie in einen anderen Kreis geben und damit Strukturen aufbrechen. Auch verstärkte Wohnsitzauflagen sind gut denkbar und anwendbar. Wenn die Kommunen mitmachen, setze ich das gerne landesweit um. Das setzt aber eine gewisse Solidarität und Verständigung innerhalb der kommunalen Familien voraus. Ich könnte mir auch vorstellen, zeitweise Zuzugssperren für bestimmte Orte zu verhängen, weil die entsprechende Kommune gerade überfordert ist. An mir wird so etwas nicht scheitern.
Aktuell gibt es erste Berichte, dass der Zustrom von ukrainischen Flüchtlingen wieder ansteigt. Ist Brandenburg darauf vorbereitet?
Wir sehen das auch. Aber die Zahlen liegen noch unter denen des letzten Jahres. Der Grund sind die erleichterten Ausreisebedingungen in der Ukraine, gerade auch für junge Männer. Wir wurden von einem ersten Bundesland angefragt, 50 Ukrainer aufzunehmen. Wir sind beim Aufnahmesoll deutlich im Minus und haben entsprechend zugesagt. Aber ich gehe davon aus, dass in der Ukraine darauf reagiert wird und rechne nicht mit einer anhaltenden Zuwanderung in Größenordnungen.
Ein großes Problem, das Sie schon als Oberbürgermeister erlebt haben, sind die Auswirkungen der verschärften Grenzkontrollen. Wie geht es da weiter?
Die Autobahn GmbH hat angekündigt, bis Ende 2025 den Ausbau der A12 umzusetzen – nach weit mehr als einem Jahr. Dann gibt es hoffentlich ein Ende der respektlosen Peinlichkeit, die sich Deutschland da gegenüber Polen geleistet hat.
Ich könnte mir vorstellen, Zuzugssperren für bestimmte Orte zu verhängen.