Michael Maske Der Podcast des Juristen „Der Fall Block“ rund um die Entführungsvorwürfe gegen die Steakhaus-Erbin Christina Block gehört zu den meistgehörten Justizsendungen in Deutschland. Warum der Prozess viele fasziniert und was er über Macht und Einfluss von Vermögenden verrät. V
Prominente Namen, die Beteiligung eines israelischen Sicherheitsdienstes und die Frage nach Schuld und Wahrheit: Der Prozess um den Sorgerechtsstreit und die Entführung der beiden jüngsten Kinder der Unternehmerin Christina Block, Tochter des Steakhaus-Königs Eugen Block, erfährt bundesweite Aufmerksamkeit. Einer, der den Fall intensiv begleitet, ist Michael Maske. Mit seinem Podcast „Der Fall Block – ein echter Krimi“ gelingt es ihm, Woche für Woche neue Perspektiven auf die Ereignisse in der Silvesternacht 2023/24 zu eröffnen.
Herr Maske, laut Statistischem Bundesamt gab es im vorigen Jahr rund 60.000 Scheidungen, bei denen minderjährige Kinder betroffen waren. Davon gelten fünf bis zehn Prozent als Konfliktscheidungen, die in der Öffentlichkeit aber kaum wahrgenommen werden. Warum ist das im Sorgerechtsstreit Block anders?
Das liegt natürlich an der Familie selbst. Die Blocks haben eine gewisse Prominenz, vor allem in Hamburg. Bundesweit gibt es die bekannten Block-Steakhäuser. Hinzu kommen andere Faktoren. Beispielsweise der ehemalige Sportmoderator Gerhard Delling, der in den Prozess vor dem Landgericht Hamburg als Angeklagter involviert ist. Er ist der Lebensgefährte der Hauptangeklagten Christina Block. Und dann ist da die gewaltsame Entführung der beiden Kinder, die von der eigenen Mutter in Auftrag gegeben worden sein soll. Dadurch ist eine strafrechtliche Komponente dazugekommen. Das hebt den Fall komplett auf ein anderes Level.
Wann gab es den Moment, an dem Sie dachten: Das ist mehr als nur ein Kriminalfall – das ist eine Geschichte, die erzählt werden muss?
Der Sorgerechtsstreit zwischen Christina Block und ihrem damaligen Ehemann Stephan Hensel begann bereits Jahre vor der Entführung. Damals spielte der Fall vor allem in Boulevardmedien eine große Rolle. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mit meinem Produzenten Dennis Muhl zwar schon oft über die Blocks gesprochen, die Idee zum Podcast kam aber viel später. Auslöser war die Entführung der Kinder in der Silvesternacht 2023/24 durch eine israelische Sicherheitsfirma. Kurz danach haben wir dann die ersten drei Folgen aufgenommen. Die sind sehr erfolgreich gelaufen. In den Charts von Spotify und Apple standen wir plötzlich ganz oben. Da haben wir beschlossen, dass wir unsere Arbeit fortsetzen.
Der Söldner einer israelischen Sicherheitsfirma hat die Entführung der beiden Kinder vor dem Landgericht Hamburg bereits gestanden. Mutter Christina Block bestreitet jedoch, die Firma beauftragt zu haben. Wie glaubwürdig erleben Sie die Angeklagte im Gerichtssaal?
Ich möchte mich hier nicht zur Glaubhaftigkeit der Aussage von Christina Block äußern. Es geht ja schon los bei der Begrifflichkeit. War es tatsächlich eine Entführung? Oder war es wegen eines möglichen alleinigen Sorgerechts der Mutter eine Rückholung der Kinder? Diese Strategie verfolgen die Rechtsanwälte von Frau Block. Letztendlich halte ich es aber für sehr unwahrscheinlich, dass sich die Sicherheitsfirma selbst mit der Entführung der Kinder beauftragt hat.
Als Nebenkläger sitzt auch Ex-Ehemann Stephan Hensel im Gerichtssaal. Was ist ihm in der Tatnacht widerfahren?
Er hat sich in der Tatnacht mit seinem zehnjährigen Sohn und der dreizehnjährigen Tochter in Dänemark befunden. Dort lebt Stephan Hensel mit seiner neuen Frau. In der Silvesternacht wollte er sich mit den Kindern am Hafen das Feuerwerk anschauen. Soweit ein ganz normaler Abend. Was die Familie nicht ahnte: In mehreren Autos saßen Männer einer israelischen Sicherheitsfirma. Von denen wurde Hensel mitten in der Geräuschkusslisse von Böllern und Raketen überwältigt, geschlagen und getreten. Er selbst sagte aus, dass er Todesangst hatte. Die Kinder wurden ihm entrissen und gegen ihren Willen in eines der Autos gezerrt.
Im Prozess geht es um diese gefährliche Körperverletzung, aber auch um Freiheitsberaubung und andere Straftaten. Sie sind selbst Jurist. Welche Anklagepunkte wiegen aus Ihrer Sicht am schwersten?
Laut Anklageschrift geht es um eine gemeinschaftliche Entziehung von Minderjährigen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie eine schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen. In strafrechtlicher Hinsicht würde ich sagen, ist die Entziehung Minderjähriger vermutlich der zentrale Tatbestand und Kern der Anklage. Der Strafrahmen liegt dabei bei bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Vor Gericht streiten Staatsanwaltschaft und Verteidigung aber, ob der Tatbestand einer Entziehung überhaupt vorgelegen haben kann. Sie argumentieren, dass zum Tatzeitpunkt Christina Block das alleinige Sorgerecht und das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder hatte.
In Ihrem Podcast legen Sie großen Wert auf eine ausgewogene Berichterstattung. Gab es bei Ihrer Arbeit aber schon Momente, in denen Sie Ihre Sichtweise auf den Fall ändern mussten – etwa nach dem Gespräch mit Christina Blocks Rechtsanwalt Ingo Bott?
Definitiv. Immer wenn ein neuer Zeuge, ein Anwalt oder Experte spricht, hinterfrage ich meine Einschätzung neu. Prinzipiell bin ich aber nicht auf eine Sicht festgelegt. In unserem Podcast versuche ich auch, den Verlauf des Prozesses objektiv zu betrachten. Das Gespräch mit Rechtsanwalt Bott war da natürlich sehr, sehr besonders. Er hat in unserem Gespräch neue Möglichkeiten eröffnet, wie sich der Fall aus Sicht seiner Mandantin zugetragen haben könnte. Demnach bestehe die Möglichkeit, dass Frau Block von der Sicherheitsfirma finanziell und mental ausgenutzt worden sein könnte. Letztendlich könnten die Israelis dann aus eigenem Antrieb die Kinder entführt und zurückgeholt haben. Sagen wir mal so: Rechtsanwalt Bott ist dabei rhetorisch durchaus überzeugend. Und wenn man sich die Argumente des Anwalts eine Stunde lang anhört, kommt man schon ins Nachdenken und sagt sich: Mensch, ja, könnte vielleicht auch so gewesen sein.
Den Fall Block erzählen Sie mit beeindruckender Tiefe – unter anderem, weil Sie Zugang zu zentralen Akteuren haben. Wie gelingt es Ihnen immer wieder, mit Verteidigern, Nebenklägern, der Gerichtssprecherin oder Experten ins Gespräch zu kommen?
Da gibt es mehrere Faktoren. Ich glaube, die ersten drei Folgen haben bereits für eine gewisse Aufmerksamkeit gesorgt. Damit haben wir eine solide und seriöse Grundlage für unseren Podcast geschaffen. Schon damals haben wir den Kontakt zu den Prozessbeteiligten gesucht. Feste Größen sind für mich natürlich mein Produzent Dennis Muhl und mein „Dauergast“ Christopher Piltz vom Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Die ausgezeichneten Recherchen von ihm und seinem Team sind eine entscheidende Grundlage für den Podcast. Und klar kommt dann wahrscheinlich auch meine journalistische und juristische Erfahrung irgendwie dazu.
Egal, wie das Urteil ausfällt – es bleibt die Frage nach Macht, Einfluss und öffentlicher Wahrnehmung. Inwiefern glauben Sie, dass wohlhabende Menschen wie die Block-Familie bei Strafprozessen einen Vorteil haben?
Ganz grundsätzlich denke ich, dass man Christina Block und ihrer Familie ihren materiellen Wohlstand nicht zum Vorwurf machen darf. Natürlich haben andere Menschen nicht die vergleichbaren Möglichkeiten. Wer kann von seinem Verdienst beispielsweise Sicherheitsfirmen beauftragen? Und wer hat Kontakte zu ehemaligen Mitarbeitern vom Landeskriminalamt, zum Bundesnachrichtendienst oder zu Wolfgang Kubicki, dem damaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages? Letztendlich zeigt der Fall exemplarisch, dass reiche und prominente Personen strukturelle Vorteile haben können, durch besseren Zugang zu Anwälten, zur Öffentlichkeit und zu Medien. Aus moralischer Sicht stellt sich die Frage, ob unser Rechtssystem ausreichend Mechanismen bietet, um soziale Ungleichheit im Justizsystem auszugleichen. Eine funktionierende Demokratie muss am Ende darauf achten, dass eben nicht das Geld, sondern das Recht entscheidet, unabhängig von Namen, Einfluss oder Vermögen. Und das Vertrauen habe ich in diesem Fall.
Immer wieder fällt der Name Gerhard Delling, der Lebensgefährte von Christina Block. Warum sitzt er auf der Anklagebank?
Er ist in dem Fall wegen Beihilfe angeklagt. Delling soll sich mit Frau Block auf dem Handy zahlreiche Nachrichten ausgetauscht haben. So soll er unter anderem nach der Entführung für sie eine Zugverbindung zu den Entführern organisiert haben. Zu Beginn des Prozesses hat die Vorsitzende Richterin bereits darauf hingewiesen, dass aus der Beihilfe auch eine Mittäterschaft werden könnte. Das hätte enorme Auswirkungen, weil die Mittäterschaft viel höher als eine Beihilfe bestraft wird.
In der Berichterstattung taucht immer wieder der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad auf. Klären Sie uns auf?
Es wird ja immer ganz viel geschrieben. Unter anderem, dass der Mossad an der Entführung der Kinder beteiligt war. Ich glaube, da muss man ganz vorsichtig sein. Nehmen wir den Chef der israelischen Sicherheitsfirma. In verschiedenen Berichten heißt es, dass David Barkay beim Mossad gearbeitet hat. Dazu gibt es aber keine verlässlichen Quellen.
Auch der frühere BND-Chef August Hanning wird im Zusammenhang mit dem Fall genannt. Welche Rolle spielt er?
Hanning soll als Mitglied des Verwaltungsrats für das Unternehmen „System 360“ verantwortlich sein. Zusammen mit einem pensionierten Beamten des LKA als Vorsitzenden der Geschäftsleitung sollte die Firma im Auftrag von Christina Block herausfinden, wie es den Kindern in Dänemark geht. Wie ihr Tagesablauf ist, welche Hobbys sie haben, ob sie sich mit Freunden treffen und regelmäßig zur Schule gehen ... So hat sie das auch vor Gericht ausgesagt. In den Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft geht es weitergehend aber auch um die Frage, ob die Firma nicht nur Informationen eingeholt hat, sondern eben auch konkret an der Aktion zur Entziehung der Kinder beteiligt gewesen sein könnte. Hier muss man ganz klar sagen, dass August Hanning bislang ausdrücklich bestreitet, an der Entführung beteiligt gewesen zu sein.
Ein Knackpunkt im Prozess ist die Frage, wer zum Zeitpunkt der Tat das Sorgerecht hatte. Mutter oder Vater? Deutsche und dänische Behörden haben mit ihren Entscheidungen für eine Grauzone gesorgt. Was denken Sie, wird der Fall Block langfristig etwas im Familienrecht oder Strafrecht ändern?
Änderungen von Gesetzen sind meiner Ansicht nach nicht zu erwarten. Dennoch haben dänische und deutsche Behörden den Sorgerechtsstreit sehr unterschiedlich bewertet. Zudem gibt es mit Dänemark bei der Rückführung von Kindern Probleme, weil das Land nicht allen internationalen Abkommen zur grenzüberschreitenden Rückführung beigetreten ist. Und es ist ja bekannt, dass der Vater die beiden Kinder nach einem Besuch in Dänemark behalten hat, weil Sohn und Tochter behauptet haben, sie würden von der Mutter körperliche Gewalt erfahren. Dennoch hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden, dass Christina Block das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht hat. Die Kinder hätten demnach zurück zur Mutter gemusst. Diese Entscheidung des OLG wurde aber in Dänemark nicht vollstreckt, weil die dänischen Behörden das Kindeswohl höher eingestuft haben. Eine schwierige rechtliche Situation.
Wenn Sie den Ausgang des Prozesses vorhersagen müssten – womit rechnen Sie?
Es hat in dem Fall schon so viele Wendungen gegeben, mit denen niemand gerechnet hat. Da kann ich mich nicht festlegen und möchte zu diesem Zeitpunkt nicht spekulieren. In den nächsten Wochen werden auch noch so viele Zeugen gehört, deren Aussage man für eine Bewertung abwarten muss. Übrigens auch Eugen Block, der Vater von Christina Block und Gründer der Steakhaus-Kette Block. Es bleibt weiter spannend.