Kopflos im Alten Land
Krimi Im Fall „Letzte Ernte“ ermittelt „Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm in einem verschworenen Bauernmilieu wie in einem Agatha-Christie-Klassiker.
Im neuen norddeutschen „Tatort“-Krimi bekommt es LKA-Ermittlerin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) mit einem besonders grausigen Fall zu tun. Ein rumänischer Aushilfsbauer wurde tot und ohne Kopf auf einem Bauernhof aufgefunden. Nun ist Lindholm in einem von Sturheit und Verschlossenheit geprägten Milieu der Höfe im Alten Land allein auf Verbrecherjagd, da das LKA wegen eines Großeinsatzes keine Beamten schicken kann.
Doch diese Chance nutzt Regisseur Johannes Naber, um Lindholm als klassisch auf eigene Faust ermittelnde Kriminalistin zu zeigen. Das passt gut, weil sie nach der Zeit in Göttingen ohnehin vor einem Neustart in ihrem angestammten Polizeirevier in Hannover steht. Der „Tatort“-Fall „Letzte Ernte“ läuft am Sonntag im Ersten.
Lindholm muss sich im Alten Land mit dem örtlichen Polizisten Olaf Gerke (Ole Fischer) abgeben, der offensichtlich eine eigene Auffassung von Polizeiarbeit im verstrickten ländlichen Bauernbiotop hat, wo jeder jeden kennt und eine Hand die andere wäscht. Doch sie stürzt sich hinein, bezieht sogar das Pensionszimmer des Opfers in einem Bio-Betrieb. Und nach und nach erhellen sich die komplexen Biografien und Beziehungen.
Das Gehöft der resoluten Bio-Bäuerin Marlies Feldhusen (Lina Wendel) steht finanziell am Abgrund, Sohn Sven (Henning Flüsloh) fiel lange wegen Depression aus und wirkt überfordert, seine Frau Frauke (Ronja Herberich) träumt von einer eigenen Physiotherapie-Praxis. Marlies hat sich derweil mit dem engagierten Arbeiter Victor angefreundet, der nun scheinbar durch eine Landmaschine zu Tode kam. Doch war es wirklich ein Unfall? Und wo ist der Kopf? Vom Fuchs gestohlen?
Die Kommissarin führt unbequeme Gespräche, hilft sogar einen Tag bei der Ernte, um tiefer ins Geflecht der Beziehungen vorzustoßen. Sie deckt Rivalitäten auf und entdeckt umstrittene Pflanzenschutzmittel der Vergangenheit mit nachhaltigen Folgen für die Gesundheit. Sie beobachtet aber auch Versuche von Bio-Bauern, es mit strengen Regeln besser zu machen.
Für die konventionelle Landwirtschaft steht dagegen Hajo Kinkicht (Tim Porath). Er scheint in guter Nachbarschaft mit den Bio-Bauern zu leben, doch auch in diesem Verhältnis kommen Konflikte ans Licht; vor allem, weil er es ist, der das Land in der Gegend verpachtet und obendrein mit Pestiziden handelt. Alt-Bäuerin Marlies Feldhusen hat ihn verklagt. Er könnte versuchen wollen, ihr zu schaden.
Am Ende läuft es auf eine Szene wie aus einem guten alten Agatha-Christie-Klassiker hinaus, wenn Lindholm alle Verdächtigen in einem Kreis versammelt, mit einem Wecker die Zeiten nachstellt, die losen Fäden und Lücken kombiniert, nacheinander alle möglichen Verdächtigen ausschließt – bis sie schließlich doch bei der Person landet, die sie sucht. Ungewohnt für einen „Tatort“, aber es funktioniert. Man wähnt sich als Zuschauer schon bald auf der richtigen Spur, doch das Ende hält dann doch überraschende Details parat.
„Tatort: Letzte Ernte“, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr