Ein Bauer rechnet vor: So viel kostet Seuche pro Tier

Vogelgrippe Malte Voigts aus Kremmen musste 5500 Gänse vergasen. Ronny Müller hatte die Seuche 2017 auf seinem Hof in Schwante. Der finanzielle Verlust ist groß.

Die Vogelgrippe ist in Brandenburg zurück. In einem Betrieb in Altfriedland bei Neuhardenberg (Märkisch-Oderland) mussten rund 3000 Tiere getötet werden, nachdem der H5N1-Erreger im Entenbestand nachgewiesen worden war. Jetzt meldet das Landwirtschaftsministerium nahezu täglich neue Fälle.

Am 23. Oktober hat es einen Geflügelhof in Kremmen getroffen. Landwirt Malte Voigts musste rund 5500 Gänse töten lassen, nachdem ein infizierter Kranich auf die Wiese seiner Tiere gestürzt war. Die Freilandgänse dürften sich durch den Kadaver angesteckt haben.

Neben der emotionalen Belastung bleibt für den Landwirt ein erheblicher finanzieller Schaden. Aktuell rechnet Malte Voigts mit einem Umsatzverlust von rund einer halben Million Euro.

65 bis 100 Euro je Gans

Für seine Gänse hatte er je nach Gewicht zwischen 65 und 100 Euro erzielen wollen. Bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 82,50 Euro pro Tier und insgesamt 5500 Gänsen ergibt sich ein Verlust von etwa 453.750 Euro. Der Verkauf – über den eigenen Hofladen oder an Gastronomen – sollte Anfang November starten. Stattdessen müssen jetzt die Kadaver der Tiere entsorgt werden. Ein enormer wirtschaftlicher Schaden.

In Brandenburg – wie auch in anderen Bundesländern – springt in solchen Fällen die Tierseuchenkasse ein. Voraussetzung ist, dass die Tiere „ordnungsgemäß zum Stichtag 3. Januar eines Jahres bei der Tierseuchenkasse gemeldet“ und die Beiträge fristgerecht gezahlt wurden, heißt es auf der Website der Seuchenkasse Brandenburg. Für Gänse beträgt der Beitrag acht Cent pro Tier. Malte Voigts Hoffnung ist es, dass er zumindest die Kosten, die mit dem Kauf der Küken und deren Aufzucht einhergegangen sind, erstattet bekommt. Dass er dieses Jahr keinen wirtschaftlichen Gewinn einfahren wird, gehöre für ihn zum kaufmännischen Risiko, sagt der Landwirt.

Er ist seit 2007 Landwirt in Kremmen und hält seit den 2010er Jahren auch Geflügeltiere. Dass er wegen der Vogelgrippe seinen ganzen Bestand an Gänsen töten lassen musste, ist ihm noch nicht passiert. „Ich weiß überhaupt nicht, was auf mich zukommt“, sagt er.

Jemand, der diese bittere Erfahrung bereits hat machen müssen, hat seinen Betrieb ganz in der Nähe von Kremmen, nämlich in dem rund fünf Kilometer südöstlich gelegenen Schwante. Ronny Müller vom Futtermittelhandel erinnert sich, wie es 2017 war, als der Hof seiner Familie von der Vogelgrippe betroffen war. „Das war richtig schwierig“, beginnt der 47-jährige Landwirt.

Die Familie besaß damals rund 100 Gänse sowie 100 Enten. Müller schätzt, dass er mit dem Verkauf der Gänse ungefähr 8000 Euro und mit den Enten circa 5000 Euro Umsatz hätte erzielen können. Von der Seuchenkasse hatte die Familie für ihren Verlust schätzungsweise ein Viertel erstattet bekommen, sagt Ronny Müller. Damit seien die Kosten bei weitem nicht gedeckt gewesen.

Der 47-Jährige rechnet vor: Für eine Schlachtgans im Verkauf gebe es schätzungsweise 80 Euro. Doch bevor es so weit ist, müsse er sich das Küken zur Aufzucht anschaffen. Das koste in der Regel zwischen acht und zwölf Euro. Bis das Tier schlachtreif ist, investiert ein Landwirt zwischen 30 und 40 Euro. Dann fallen noch die Schlachtkosten an. Laut Müllers Rechnung blieben rund zehn Prozent Gewinn übrig, wenn er die Gans für 80 Euro verkauft. Wenn jedoch nur 25 Prozent durch die Seuchenkasse erstattet werden, bleibe ein Großteil der Investitionskosten ungedeckt.

Gemäß dieser Rechnung würde Landwirt Malte Voigts in Kremmen mit einem Verlust im sechsstelligen Bereich rechnen müssen. Doch wie hoch der Ausgleich von der Ersatzkasse am Ende sein wird, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Die Anfrage an die Seuchenkasse blieb zunächst unbeantwortet. Weder Voigts noch Müller wissen, wie die Entschädigung berechnet wird.

Entschädigung ungewiss

Womit Malte Voigts allerdings rechnen kann, ist die Solidarität anderer Mastbetriebe. So habe ihm ein Landwirt aus dem Spreewald mehrere Gänse zum Kostendeckungspreis angeboten, damit im Hofladen zumindest Gänse aus Brandenburg verkauft werden können. Das, sagt Voigts, will er seinem Kollegen nicht vergessen.

Das Ministerium meldete, dass bisher im Land in drei Betrieben Tiere aufgrund der Vogelgrippe gekeult werden mussten. Außer auf dem Hof in Kremmen wurden circa 3000 Enten und 6200 Puten getötet. In einem öffentlichen Schreiben spricht das Ministerium zudem von einem „außergewöhnlichen Ausbruch der Vogelgrippe bei Kranichen und anderen Wildvögeln.“

„Kamikaze“-Biker fährt ins Gefängnis

Prozess Weil er keinen Führerschein hat, leistet sich ein Motorradfahrer am Werbellinsee eine Verfolgungsjagd mit der Polizei. War das ein Mordversuch?

Er hat es immer wieder getan, sogar noch mehrmals nach der Verfolgungsjagd mit der Polizei an jenem Sonntag Ende August 2024 in Eichhorst am Werbellinsee (Barnim). Obwohl er keinen Führerschein hat, stieg der 23 Jahre alte Berliner aufs Motorrad oder ins Auto. Und wenn sich ihm während der Fahrten Polizisten näherten, flüchtete er „kamikazeartig“, wie es die Vorsitzende Richterin Claudia Cottäus am Donnerstag in ihrer Urteilsbegründung am Landgericht Frankfurt (Oder) beschreibt.

Unbeteiligte kamen dabei zum Glück bislang nicht zu Schaden, wobei sich 2023 an einer Straße in Märkisch-Oderland zwei Bauarbeiter in letzter Sekunde nur mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit bringen konnten, als der Berliner mal wieder auf der Flucht war.

Und bei der Tat vom Werbellinsee steht der Vorwurf des versuchten Mordes im Raum. Der Mann ohne Führerschein soll versucht haben, einen Polizisten, der ihm im Wald ebenfalls mit dem Motorrad dicht auf den Fersen war, mit einem bewussten Schlenker nach rechts abzuschütteln.

Mordversuch erkannt

Der Beamte hatte ausgesagt, dass er nur durch pures Glück nicht mit einem Baum kollidiert sei, als er instinktiv auswich und dabei kurz die Kontrolle über seine Maschine verlor. Der Aufprall am Baum wäre definitiv tödlich gewesen, zeigte sich der Polizist überzeugt. Vor allem wegen dieser Erklärung hatte das Amtsgericht Eberswalde den Fall wegen eines möglichen Mordversuchs an das Landgericht verwiesen.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft liegt jedoch nicht mehr als Fahren ohne Führerschein vor. Weil man es mit einem offensichtlich unbelehrbaren Wiederholungstäter und dazu noch einem Bewährungsbrecher zu tun habe, müsse allerdings eine Haftstrafe verhängt werden. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beantragt am Donnerstag in seinem Schlussplädoyer zehn Monate Gefängnis, was der Verteidiger des Angeklagten dankbar quittiert. „Ich habe dem Staatsanwalt eigentlich nichts hinzuzufügen“, sagt der Anwalt.

Die Strafkammer kommt in ihrem Urteil schließlich auf drei verschiedene Delikte: Fahren ohne Führerschein, versuchte Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Ein Jahr Haft lautet das Strafmaß. „Ein sehr mildes Urteil“, sagt die Vorsitzende Richterin.

Anders als die Staatsanwaltschaft, die in dem möglichen Schlenker des Angeklagten einen unbeabsichtigten Fahrfehler sieht, gehen die Richterinnen von einem bewussten und gewollten Manöver des Motorradfahrers aus. Der Flüchtende habe darin die einzige Möglichkeit gesehen, den Polizisten abzuschütteln und die Entdeckung der illegalen Fahrt zu verhindern. Der Angeklagte habe dabei einen möglichen Sturz des Polizisten samt Verletzung in Kauf genommen, sagt Claudia Cottäus.

Für eine Verurteilung wegen versuchten Mordes hätte man aber belegen müssen, dass der Motorradfahrer den Schlenker so berechnet hat, dass der Polizist beim Sturz mit dem Baum kollidieren würde, führt die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung aus. Es sei fernliegend und nicht zu beweisen, dass dies sein Ziel war und dass eine solche Berechnung bei der sehr dynamischen Verfolgungsjagd überhaupt möglich gewesen wäre.

In Berlin sind noch Fälle offen

Auch ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen liege hier nicht vor, erklärt Claudia Cottäus. Zwar habe der Motorradfahrer rücksichtslos agiert, aber die Leistungsfähigkeit seines Motorrads nicht ausgereizt, wie es das Strafgesetzbuch für eine Verurteilung nach Paragraf 315d verlange. Der Polizist habe ausgesagt, dass man im Wald mit ungefähr 50 Stundenkilometern „bequem“ unterwegs gewesen sei, sagt die Vorsitzende. Genau lasse sich das gefahrene Tempo nicht feststellen.

Dem Angeklagten steht nun bevor, dass aus einem Urteil des Amtsgerichts Strausberg (acht Monate auf Bewährung) und dem jetzigen Richterspruch eine Gesamthaftstrafe gebildet wird. Außerdem sind in Berlin noch drei Fälle des Fahrens ohne Führerschein offen. „Ich habe gelernt. Es gibt bei mir ein Umdenken“, erklärt der Angeklagte sehr freundlich in seinem letzten Wort.

„Das haben Sie bei jeder Verurteilung gesagt. Und dann sind Sie doch gleich wieder auf den nächsten fahrbaren Untersatz gesprungen, obwohl Sie keinen Führerschein haben“, hält ihm Claudia Cottäus in ihrer Urteilsbegründung entgegen. „Sie brauchen den Schuss vor den Bug. Wir können nur hoffen, dass die Haft bei Ihnen zu einem echten Umdenken führt.“

Klimawandel bedroht alte Schätze

Archäologie Trockenheit und schwankende Grundwasserstände schaden historischen Artefakten im Moor.

Friesack. Der Klimawandel gefährdet auch die Archäologie. Zunehmende Trockenheit infolge der Erderwärmung und der damit einhergehende sinkende und saisonal schwankende Grundwasserstand bedrohe archäologische Fundstellen in Mooren, teilte das brandenburgische Landesdenkmalamt am Freitag mit. Eine Sondierung des Zustands einer der bedeutendsten steinzeitlichen Fundstellen Europas bei Friesack habe gezeigt, dass fast die gesamte Fundschicht bereits zeitweilig trockengefallen und langfristig gefährdet sei.

Fundpotenzial ist hoch

Der Fundplatz Friesack liegt nordwestlich von Berlin. Dort wurden den Angaben zufolge bei Grabungen neben typischen Steingeräten mehr als 800 teilweise verzierte Knochen- und Geweihartefakte, mehr als 130 hölzerne Artefakte und über 3000 Fragmente von Schnüren, Seilen und Netzen aus Weidenbast geborgen.

Diese Objekte aus fragilen Materialien ermöglichten einzigartige Einblicke in die Lebenswelt der Menschen in Brandenburg vor 10.000 Jahren, hieß es. Der Erhalt solcher Stücke über Tausende von Jahren sei nur durch ihre Lagerung im Moor möglich gewesen, wo sie im Feuchtboden unter Luftabschluss überdauerten. Fundplätze mit Feuchtbodenerhaltung seien deshalb wertvolle archäologische Archive. Es sei wichtig, diese „einzigartigen Kulturarchive“ zu schützen und zu bewahren.

Bei Friesack wurde nach Angaben des Landesdenkmalamts in den 1980er-Jahren ein fast 300 Quadratmeter umfassender Bodenbereich archäologisch untersucht. Das Fundpotential sei weiter hoch, vor allem, weil Teile der fundreichen Areale im Boden verblieben seien.

Das Archäologische Landesmuseum in Brandenburg an der Havel lädt am 5. November, 18.30 Uhr, zum Vortrag „Fragiles Erbe. Der steinzeitliche Fundplatz Friesack im Havelland und die Gefahr der trockenen Sommer“ ein. Eintritt frei.

Hobbydetektive greifen zur Schippe

Fall Rebecca Polizisten suchen nach Spuren der Vermissten, diese Woche in Oder-Spree. Das ruft skurrile Gestalten auf den Plan.

Beeskow/Berlin. Seit Jahren ist das öffentliche Interesse am Fall der vermissten Rebecca Reusch aus Berlin groß. Vor rund sechs Jahren verschwand die damals 15-Jährige. Die Polizei geht von einem Tötungsdelikt aus. Die Staatsanwaltschaft bittet die Bevölkerung um Hinweise und warnt zugleich vor privaten „Ermittlungen“: Denn Hobbydetektive könnten die polizeiliche Arbeit gefährden. Ein Blick in die vergangenen Jahre zeigt, dass der Fall zahlreiche Pseudo-Experten anlockte, die wilde Spekulationen verbreiten und so zur Gefahr für die Ermittlungen werden können.

Nun gibt es einen neuen Ansatz. Am Montag suchten Polizisten ein Grundstück in Tauche (Oder-Spree) ab. „Nach zwischenzeitlich erlangten Erkenntnissen liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der mittlerweile 33 Jahre alte Beschuldigte am Morgen des 18. Februar 2019 seine damals 15 Jahre alte Schwägerin getötet und deren Leiche und ihr gehörende Gegenstände – zumindest vorübergehend – auf das Grundstück seiner Großeltern in Tauche verbracht“ hat, teilt die Staatsanwaltschaft dazu mit. Am Dienstag wurde ein Grundstück im nahen Herzberg durchsucht.

True-Crime-Storys boomen

Schaulustige verfolgten den Polizeieinsatz. Darunter wohl auch Hobbydetektive. Die Staatsanwaltschaft bat jedenfalls sofort, von eigenen „Nachforschungen“ Abstand zu nehmen. Daran hält sich nicht jeder.

In sozialen Netzwerken wie YouTube kursieren zahlreiche Videos zu dem Fall. Das Genre boomt. True Crime erfreut sich wachsender Beliebtheit. Immer mehr Menschen wollen über wahre Verbrechen lesen oder hören. YouTuber nutzen Fälle wie den von Rebecca Reusch, um viele Klicks zu ergattern.

So zeigt ein Video, wie Hobbydetektive durch einen Wald ziehen, um nach ihrer Leiche zu suchen. Anlass dafür war ein „User-Hinweis“ von einem gewissen Clemens, der sechs Tagen nach dem Verschwinden eine verdächtige Stelle ausgemacht haben will. In einem anderen Video des YouTube-Kanals, den ein Mann mittleren Alters betreibt, wird zum Spaten gegriffen. Durch derartiges Verhalten könnten die Ermittlungsarbeiten gestört werden, warnt die Staatsanwaltschaft. Schlimmer noch: Es bestehe die Gefahr, dass Spuren vernichtet werden.

Manche YouTuber gehen noch weiter. Eine Frau befragt in einem ihrer Videos ein Mädchen, das angeblich eine Freundin von Rebecca gewesen sein soll. Die Jugendliche schildert, wie der Hauptverdächtige angeblich sie und Rebecca regelmäßig Alkohol und Drogen in einem Bungalow verabreicht hätte und es zu sexuellen Übergriffen gekommen sei.

Es gibt YouTube-Kanäle, die nichts anderes veröffentlichen als Spekulationen über den Fall Reusch. Mittlerweile reagieren andere Influencer auf die Masche und prangern das Gebaren ihrer Kollegen an.

Aber es gibt auch schlicht skurrile Erscheinungen, wie den Hobbydetektiv Schneider. Er behauptete im Jahr von Rebeccas Verschwinden zu wissen, wo ihre Leiche zu finden sei. Er sei Hellseher, sagt Schneider von sich, und habe einen guten Draht zu höheren Mächten. 2019 prophezeite er, dass Rebecca in einem Wald bei Groß-Ziethen (Dahme-Spree) zu finden sei. Später hatte er offenbar eine neue Eingabe und verbreitete, dass in einem Wald bei Briesen (Oder-Spree) gesucht werden müsse.

In den Sozialen Medien wird nicht nur spekuliert, sondern auch Anteilnahme gezeigt. Das Engagement, insbesondere das Teilen von Zeugenaufrufen, wird von der Staatsanwaltschaft begrüßt. Nach wie vor bittet die Polizei um sachdienliche Hinweise.

Bei der Spurensuche in Oder-Spree, konnten Beweise gesichert werden. Die Auswertung läuft.

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