Mit Charme und Schnauze

Funkelnde Lichter der Großstadt von oben, eine Kamerafahrt übers Brandenburger Tor und ein gehetzter Mann mit dunklem Geheimnis, der auf einer Parkbank im Tiergarten gleich sein Leben aushauchen wird. Der neue Fall des Sonnabend-Klassikers „Ein starkes Team“ zeigt sofort die typische Handschrift des beliebten Berlin-Krimis. Die Episode „Für immer jung“ am Sonnabend im ZDF ist Nummer 100. Jede Folge ist eine Momentaufnahme einer Metropole, die sich stets im schnellen Umbruch befindet.

1994 ging das Format an den Start – damals in den Hauptrollen mit Florian Martens (66) als Otto Garber und Maja Maranow (1961–2016) als Verena Berthold. Nach Maranows Tod übernahm Stefanie Stappenbeck (51) als Linett Wachow die zweite Hauptrolle. „Ich bin manchmal wirklich überrascht, wie ‚Ein starkes Team‘ die Realität einholt – oder umgekehrt“, so Stappenbeck.

Im Jahre 2017 hat die Folge „Preis der Schönheit“ die Schauspielerin besonders bewegt: „Es ging um junge Models und Fotografen, genau zu der Zeit, als MeToo unsere Gesellschaft stark verändert hat.“ In der Corona-Zeit hätten die Macher dann die Essenslieferungen auf Rädern, die plötzlich stark zunahmen und von vielen genutzt wurden, fix in einen Fall eingebaut. In der aktuellen Folge 100 geht es um das Trendthema Lebensverlängerung.

Das Drehbuch dieses Krimis sieht eine klare Aufgabenteilung vor. Linett Wachow: die charmante Diplomatin, die sich auch in den Protz-Villen im Grunewald ganz diskret nach schmutziger Wäsche umschauen kann. Und Otto Garber: ein gutherziger, aber rauer Bulle. Seine freche Berliner Schnauze kommt bei den kleinen Leuten an der Wurstbude sofort gut an, arrogante Neureiche liegen ihm hingegen gar nicht.

Die ersten Dreharbeiten wird Martens nie vergessen: „Da wurde meine erste Tochter geboren.“ In der Mittagspause eilte er quer durch Berlin ins Krankenhaus. „Um Punkt 12 Uhr mittags stürmte ich den Kreißsaal in einem Judoanzug – das war damals mein Kostüm, denn umziehen hätte ich nicht mehr geschafft. Nur zwei Minuten später wurde sie geboren.“ Echtes Leben.

Ohnehin kommt kein anderer deutscher Regionalkrimi so authentisch daher wie „Ein starkes Team“. Grimme-Preisträger Jürgen Pomorin hat den Großteil der Skripte beigesteuert. Wie die Produktion verrät, werden die Drehbücher auf Hochdeutsch geschrieben, danach werden ganze Passagen ins Berlinerische „übersetzt“. Das übernehmen zwei Stars der Serie: Neben Martens ist das Jaecki Schwarz, der das Original „Sputnik“ spielt.

Berliner sind eben nicht auf den Mund gefallen, das musste auch das Drehteam so manches Mal erfahren, wie sich Stappenbeck erinnert: „Wir drehten in Berlin-Mitte eine ernste Szene, Totenfundort, alles ganz still – bis ein sehr fröhlicher Spaziergänger durchs Bild lief und laut rief: ‚Na, lebt er noch?’“ Danach sei alles vorbei gewesen, so die Hauptdarstellerin. „Totale Lachtränen bei der Crew, die Szene mussten wir mehrfach neu drehen. Aber genau solche Momente machen den Dreh so besonders – Berlin spielt eben immer mit.“

„Ein starkes Team: Für immer jung“, ZDF, Sonnabend, 20.15 Uhr

ZDF Stefanie Stappenbeck und Florian Martens sind das Krimi-Erfolgsduo am Sonnabend. Ihre in Berlin spielende Reihe „Ein starkes Team“ macht jetzt die 100 voll.

Kopflos im Alten Land

Krimi Im Fall „Letzte Ernte“ ermittelt „Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm in einem verschworenen Bauernmilieu wie in einem Agatha-Christie-Klassiker.

Im neuen norddeutschen „Tatort“-Krimi bekommt es LKA-Ermittlerin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) mit einem besonders grausigen Fall zu tun. Ein rumänischer Aushilfsbauer wurde tot und ohne Kopf auf einem Bauernhof aufgefunden. Nun ist Lindholm in einem von Sturheit und Verschlossenheit geprägten Milieu der Höfe im Alten Land allein auf Verbrecherjagd, da das LKA wegen eines Großeinsatzes keine Beamten schicken kann.

Doch diese Chance nutzt Regisseur Johannes Naber, um Lindholm als klassisch auf eigene Faust ermittelnde Kriminalistin zu zeigen. Das passt gut, weil sie nach der Zeit in Göttingen ohnehin vor einem Neustart in ihrem angestammten Polizeirevier in Hannover steht. Der „Tatort“-Fall „Letzte Ernte“ läuft am Sonntag im Ersten.

Lindholm muss sich im Alten Land mit dem örtlichen Polizisten Olaf Gerke (Ole Fischer) abgeben, der offensichtlich eine eigene Auffassung von Polizeiarbeit im verstrickten ländlichen Bauernbiotop hat, wo jeder jeden kennt und eine Hand die andere wäscht. Doch sie stürzt sich hinein, bezieht sogar das Pensionszimmer des Opfers in einem Bio-Betrieb. Und nach und nach erhellen sich die komplexen Biografien und Beziehungen.

Das Gehöft der resoluten Bio-Bäuerin Marlies Feldhusen (Lina Wendel) steht finanziell am Abgrund, Sohn Sven (Henning Flüsloh) fiel lange wegen Depression aus und wirkt überfordert, seine Frau Frauke (Ronja Herberich) träumt von einer eigenen Physiotherapie-Praxis. Marlies hat sich derweil mit dem engagierten Arbeiter Victor angefreundet, der nun scheinbar durch eine Landmaschine zu Tode kam. Doch war es wirklich ein Unfall? Und wo ist der Kopf? Vom Fuchs gestohlen?

Die Kommissarin führt unbequeme Gespräche, hilft sogar einen Tag bei der Ernte, um tiefer ins Geflecht der Beziehungen vorzustoßen. Sie deckt Rivalitäten auf und entdeckt umstrittene Pflanzenschutzmittel der Vergangenheit mit nachhaltigen Folgen für die Gesundheit. Sie beobachtet aber auch Versuche von Bio-Bauern, es mit strengen Regeln besser zu machen.

Für die konventionelle Landwirtschaft steht dagegen Hajo Kinkicht (Tim Porath). Er scheint in guter Nachbarschaft mit den Bio-Bauern zu leben, doch auch in diesem Verhältnis kommen Konflikte ans Licht; vor allem, weil er es ist, der das Land in der Gegend verpachtet und obendrein mit Pestiziden handelt. Alt-Bäuerin Marlies Feldhusen hat ihn verklagt. Er könnte versuchen wollen, ihr zu schaden.

Am Ende läuft es auf eine Szene wie aus einem guten alten Agatha-Christie-Klassiker hinaus, wenn Lindholm alle Verdächtigen in einem Kreis versammelt, mit einem Wecker die Zeiten nachstellt, die losen Fäden und Lücken kombiniert, nacheinander alle möglichen Verdächtigen ausschließt – bis sie schließlich doch bei der Person landet, die sie sucht. Ungewohnt für einen „Tatort“, aber es funktioniert. Man wähnt sich als Zuschauer schon bald auf der richtigen Spur, doch das Ende hält dann doch überraschende Details parat.

„Tatort: Letzte Ernte“, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr

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