Infrastruktur Ein Großteil der Vorhaben wird aus Geldmangel zu den Akten gelegt. Nur eine von zehn Routen soll gebaut werden. Für zwei Ost-West-Verbindungen gibt es noch Hoffnung.
Von der Wohnung am Stadtrand bis zur Arbeit in der City auf dem Rad, das war die Idee: Zehn Radschnellverbindungen (RSV) für längere Pendelstrecken sollten Außenbezirke und Umland an die Innenstadt anbinden. Mindestens 100 Kilometer Radschnellverbindungen wollte Berlin bis 2030 bauen.
Doch nun wird gespart. Der von CDU und SPD geführte Senat favorisiert andere Pläne. „Aufgrund fehlender Mittel für die Finanzierung aller Vorhaben aus dem Mobilitätsgesetz hat die Senatsverkehrsverwaltung schon im Sommer 2024 eine Priorisierung der Radverkehrsprojekte vorgenommen“, erklärt Sprecherin Petra Nelken.
Von Potsdam bis zum Ku’damm
Für Laien übersetzt heißt das: Von zehn geplanten Radschnellwegen – Kostenpunkt rund 400 Millionen Euro – wird nur einer gebaut. Dabei handelt es sich um die Route 3 Potsdam–Königsweg–Kronprinzessinnenweg, die Radfahrer vom Wannsee durch den Grunewald Richtung Messe Berlin bis zum S-Bahnhof Halensee am westlichen Ende des Kurfürstendamms führen soll.
Auf den ersten Kilometern führt diese Trasse durch ein Wohngebiet. Der zweite Abschnitt verläuft parallel zur Avus auf einem Waldstück bis zum S-Bahnhof Grunewald und geht von dort in eine Einfamilienhaussiedlung über. „Voraussichtlicher Endpunkt wird die S-Bahnstation Halensee am Kurfürstendamm sein“, heißt es vom Büro infraVelo, das die Planungen übernommen hat.
Für den Radschnellweg Nummer 3 soll – insbesondere auch, weil es für ihn zusätzlich Geld vom Bund gibt – schnellstmöglich, am besten noch in diesem Jahr, der Antrag auf Planfeststellung gestellt werden, um zeitnah mit dem Bau beginnen zu können, kündigt Nelken an. Nach heutigem Stand sollen die rund 13,8 Kilometer bis Ende 2030 gebaut werden.
Bei den weiteren sechs Radschnellverbindungen seien die Planungen vorerst beendet worden. Der Radschnellweg Nummer 7, der vom S-Bahnhof Westend bis in die Spandauer Altstadt führen sollte, wurde nach den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie schon vorher gestrichen.
Pendlerachsen für Außenbezirke
„Das ist ein herber Rückschlag für Berlin“, findet Lisa Feitsch, Sprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) im Landesverband Berlin. „Aktuell erleben wir eine Verkehrspolitik, die die Außenbezirke aktiv benachteiligt“, kritisiert Feitsch. Dazu gehöre neben der eingestellten Radwegeplanung unter anderem auch das Aus der städtischen Leihrad-Förderung.
Beides sei dazu gedacht gewesen, Pendlerinnen und Pendler zu unterstützen, aufs Fahrrad umzusteigen und so kostengünstig, gesund und klimaneutral zu Arbeit oder Schule zu kommen, betont die ADFC-Sprecherin. Denn die Radschnellwege seien so ausgelegt, dass zügiges Vorankommen möglich sei – „mit gutem Belag, möglichst ohne Kreuzungen und immer getrennt von Fußgängern, um für alle eine gute Mobilität zu gewährleisten.“
Gerade die Menschen in den Außenbezirken Berlins würden von diesen Pendlerachsen für das Rad profitieren, ist sich Feitsch sicher. Dass immer mehr Menschen immer längere Strecken mit dem Rad zurücklegten, zeigten auch die „Mobilität in Städten“-Studien für Berlin.
Die zehn Strecken seien von der einst grün geführten Verkehrsverwaltung seit 2017 geplant und vorbereitet gewesen und gesetzlich im Mobilitätsgesetz verankert. „Sie aus politischem Kalkül abzusägen, geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei.“
Finanzielle Unterstützung wäre außerdem über Bundesmittel verfügbar. „Diese nicht zu nutzen, ist kurzsichtig.“ So fordert der ADFC Berlin den Senat auf, die Planungen aller zehn RSV wieder aufzunehmen.
Die Wege bei besserer Finanzlage wieder aus der Schublade zu holen, wäre theoretisch möglich. Die Planungen seien so beendet worden, dass zu einem späteren Zeitpunkt an den erreichten Stand angeknüpft werden könne, erklärt Behörden-Sprecherin Nelken.
Zu den bisher am weitesten vorangeschrittenen Vorhaben gehörten neben der Potsdam–Kudamm–Route die sogenannte „Ost-Route“ (RSV 9) sowie die „West-Route“. Die RSV 9 soll Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg mit dem Bezirk Mitte verbinden. Die Route verläuft über die Karl-Marx-Allee und den Alexanderplatz zum S-Bahnhof Tiergarten.
Die West-Route (6) soll vom Bahnhof Tiergarten einmal quer durch das alte West-Berlin bis ins brandenburgische Dallgow (Havelland) führen. Sie folgt unter anderem der Straße des 17. Juni, dem Kaiserdamm und der Heerstraße und passiert große Kreisverkehre am Ernst-Reuter-Platz und Theodor-Heuss-Platz.
Von Hönow nach Mitte
Sowohl die Ost- als auch die West-Route befinden sich laut Verkehrsverwaltung in der Entwurfsplanung und sollen bis zur möglichen Einreichung in das Planfeststellungsverfahren vorbereitet werden. Bei der RSV 9 werde vorrangig der östliche Bereich vom Strausberger Platz bis nach Hönow geplant.
„Das Ziel der infraVelo ist es, die Entwurfsplanung bis Ende 2026 abzuschließen und die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren vorzubereiten“, erklärt Behörden-Sprecherin Nelken. Ob und wie es danach weitergeht, steht allerdings noch in den Sternen und hängt stark von der Haushaltslage und der jeweiligen Regierung ab.