Status verleiht Macht

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Eigentlich glaubten die Sozialwissenschaftler Mitte des 20. Jahrhunderts, dass – jedenfalls in den prosperierenden Volkswirtschaften des Westens – Klassengesellschaften der Vergangenheit angehörten. Gesprochen wurde nur noch von „Schichten“ sowie einer weitgehenden Durchlässigkeit und Aufstiegsmobilität. Inzwischen häufen sich die Diagnosen einer wachsenden sozialen Ungleichheit, einer sich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich. Es ist neuerdings wieder oft von „Klassen“ oder „Klassismus“ die Rede. Das wundert den Philosophen Hanno Sauer nicht, denn er erklärt Statusunterschiede und Prestigehierarchien zu unvermeidlichen Merkmalen menschlicher Gesellschaften. Diese Differenzen, so der Autor, funktionieren über die gesamte Bandbreite von Werten, Lebensstilen und Beziehungen – und sie sind nur schwer überwindbar. Dabei bleibt der Professor aus Utrecht nicht seiner eigenen Disziplin verhaftet, sondern weitet seinen Blick auf Befunde aus Soziologie, Ökonomie, Psychologie, Genetik und Geschichte. Er erfasst damit viele Dimensionen von Ungleichheit, Solidarität und Diskriminierung. Sozialer Status, Prestige und Klassenzugehörigkeit verleihen ihren Inhabern Macht. Die gesellschaftliche Position von Menschen eröffnet und verschließt Chancen. Der Wettkampf um „Rang und Namen“ durchzieht die menschliche Evolutionsgeschichte, soziale Signale und Marker zeigen an, wo man steht.

Hanno Sauer: Klasse. Die Entstehung von Oben und Unten. Piper Verlag, München 2025. 370 Seiten. 26,00 Euro.

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