Punkte vor Ästhetik
DFB-Team Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat nach ihrem Fehlstart gegen die Slowakei die Situation in der WM-Qualifikation komplett gedreht.
Das Schlussbild der abgekämpften und mit geballten Fäusten jubelnden deutschen Kicker nach der Schwerstarbeit in der zwei Jahre lang uneinnehmbaren Festung Windsor Park offenbarte, wie wichtig dieser Sieg war. „Es war ein einziger Kampf. Heute ging es nur ums Ergebnis“, sagte DFB-Kapitän Joshua Kimmich nach dem 1:0 (1:0) am Montagabend in Belfast gegen Gastgeber Nordirland.
Auch der Bundestrainer war erleichtert am Ende der unbedingt benötigten Zwei-Siege-Woche. „Die drei Punkte sind heute wichtiger als die Ästhetik“, urteilte Julian Nagelsmann. Glanzvoll war‘s nicht. Dominant auch nicht. Und super souverän ebenfalls nicht. Und doch war es ein Arbeitstag, der eine Mannschaft, der wichtige Topspieler, der Automatismen und nicht zuletzt die Selbstverständlichkeit fehlen, wachsen lässt.
„Wir haben unsere Ausgangssituation komplett geändert. Wir haben alles in der eigenen Hand“, resümierte Kimmich. Die Auswahl behauptete Platz 1 vor der punktgleichen Slowakei, gegen die es drei Tage nach dem Auswärtsspiel beim Tabellenletzten Luxemburg am 17. November in Leipzig in der allerletzten Partie um das direkte WM-Ticket gehen wird.
Nach dem 0:2 zum Auftakt in Bratislava war klar, dass es in der Vierergruppe bis zum Schluss eine mühevolle Qualifikation werden würde. „Aber ich nehme mit, dass wir uns einlassen können auf so Spiele, auf so eine Atmosphäre, auf die Art des Gegners“, sagte Nagelsmann nach dem Kraftakt von Belfast.
Matchwinner war Nick Woltemade mit seinem Premierentor im sechsten Länderspiel. „Das ist sehr wichtig für mich persönlich. Mein Spiel war bislang nicht ganz so glücklich in der Nationalmannschaft“, sagte der Angreifer von Newcastle United. Es war aber vor allem ein Erfolg der Mannschaft, die sich unter dem „Lieferdruck“ nach dem Fehlstart zu einer Einheit entwickelt hat. „Manchmal sind es die Spiele wie heute, die uns als Mannschaft wachsen lassen“, sagte David Raum. Der Leipziger schlug den Eckball, der von Woltemades Schulter ins Tor prallte.
Eine WM-Elf zeichnet sich acht Monate vor dem Turnier in Amerika noch nicht ab. Aber Nagelsmann hat mit Pragmatismus immerhin ein Quali-Team gefunden: Zweimal begann dieselbe Elf. Ohne verletzte Stammkräfte wie Torwart Marc-André ter Stegen, Jamal Musiala, Kai Havertz und Antonio Rüdiger setzte der Bundestrainer auf neue Fixpunkte und Form. Der fünf Mann starke Bayern-Block bildete das Grundgerüst, Oliver Baumann ist im Tor eine Aushilfs-Nummer-1 mit einer sehr guten Ausstrahlung. Raum wurde von Nagelsmann zum „emotionalen Leader“ ernannt, der Dortmunder Rückkehrer Nico Schlotterbeck bildete mit Bayern-Profi Jonathan Tah ein Null-Gegentore-Duo im Abwehrzentrum.
Der 21 Jahre alte Münchner Aleksandar Pavlovic war – gesund und mit Spielrhythmus – im Mittelfeld einer der Gewinner der Woche. So wie Vereinskollege Serge Gnabry und natürlich Anführer Kimmich, für den es kein Makel mehr sein muss, rechts statt zentral zu spielen. „Am Ende wollen wir alle zur WM“, sagte der Kapitän.
Nick Woltemade ist mit seinem Premierentor im sechsten Länderspiel der Matchwinner.