„Kassen sollen Kosten tragen“

  • Matthias Laudes Foto: Soulpicture Kiel

Der Kieler Diabetologe Matthias Laudes über die geringen Nebenwirkungen von Abnehmspritzen – und warum es so kompliziert ist, Ozempic, Wegovy und Mounjaro zur Kassenleistung zu machen.

Matthias Laudes ist Diabetologe an der Uni Kiel und Präsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft. Er fordert, dass die Abnehmspritzen für bestimmte Personengruppen zur Kassenleistung werden sollen.

Herr Laudes, wie haben die Abnehmspritzen die Medizin verändert?

Adipositas wird in Deutschland erst seit 2020 als Erkrankung anerkannt. Entsprechend dürftig waren auch die Behandlungsangebote in der Vergangenheit. Die Wochenspritzen machen deutlich, dass Adipositas medikamentös behandelt werden kann.

Bisher sind die Spritzen in Deutschland für Menschen ohne Diabetes als Lifestyle-Produkte eingestuft. Sie sprechen sich dafür aus, die Spritzen zur Kassenleistung zu machen. Warum?

Im Moment dürfen die Kassen solche Medikamente gar nicht übernehmen, weil es diesen Lifestyle-Paragrafen im Sozialgesetzbuch gibt.

Wir als Adipositas-Gesellschaft setzen uns dafür ein, dass der Paragraf gelockert wird. Es ist utopisch, dass alle Patienten mit ein bisschen Übergewicht eine Erstattung bekommen. Aber für bestimmte Gruppen, zum Beispiel stark übergewichtige Personen mit Herzerkrankungen, sollten die Kassen die Kosten übernehmen. Die Wochenspritzen helfen nicht nur bei der Gewichtsreduktion, sondern reduzieren auch das Risiko auf einen Herzinfarkt.

Kurzfristig würde das für die angeschlagenen Kassen aber erstmal zusätzliche Kosten bedeuten.

Krankenkassen rechnen in Jahresbilanzen. Wenn sie dieses Jahr nur Kosten haben, die sich in zehn Jahren rechnen, machen sie das nicht mit. Es müsste irgendeine Form der Zusatzfinanzierung geben.

Die Rentenversicherungen hätten ein großes Interesse daran, denn Adipositas ist für sie ein doppeltes Problem: Mehr Frührentner, die aus medizinischen Gründen nicht mehr arbeiten können, bedeuten weniger Rentenbeiträge – gleichzeitig müssen früher Renten bezahlt werden.

Was weiß man über die Nebenwirkungen?

Die Wochenspritzen haben fast keine Nebenwirkungen. Sie bestehen aus ganz ähnlichen Substanzen wie körpereigene Hormone. Entsprechend gibt es keine Nebenwirkungen auf Leber, Nieren oder das Blutbild, wie wir das von anderen Medikamenten kennen.

Das Gefühl der Übelkeit, das viele Patienten als unangenehm empfinden, ist streng genommen keine Nebenwirkung, sondern zeigt, dass der Wirkstoff tut, was er soll.

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