Bis auf Weiteres weggesperrt
Landgericht Eine unbefristete Unterbringung im Maßregelvollzug kann schuldunfähige Täter schnell treffen, wie ein Urteil zeigt.
Frankfurt (Oder). Der Beschuldigte wirkt klar im Kopf und gutmütig, wie er da auf der Anklagebank am Landgericht Frankfurt (Oder) sitzt. Mit bedrücktem Gesichtsausdruck hört er aufmerksam zu, welche Entscheidung die Kammer verkündet: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß Paragraf 63 Strafgesetzbuch.
Toni W. wird also zunächst unbefristet weggesperrt, weil er als Gefahr für die Allgemeinheit gilt. Erst wenn Gutachter zu der Überzeugung kommen, dass von ihm keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr zu erwarten sind, wird er wieder in die Freiheit entlassen.
Am 8. Januar 2025 hat der 30-Jährige in Fürstenwalde morgens um 8 Uhr einen Mann angegriffen und verprügelt, der ihm helfen wollte. Beide Männer kannten sich nicht. Toni W. lag mit nacktem Oberkörper auf einer Wiese. Der 40-Jährige wollte sich nach seinem Befinden erkunden. Da schlug Toni W. mehrfach mit den Fäusten zu und versetzte dem Opfer anschließend Fußtritte gegen den Kopf. Er trug dabei schwere Arbeitsschuhe mit Stahlkappen.
Der hilfsbereite Mann wurde ohnmächtig und erlitt bei dem Angriff einen Nasenbeinbruch. Ein Backenzahn wurde gebrochenen, weshalb er mehrere Wochen in Behandlung musste. Hinzu kamen schmerzhafte Prellungen im Bereich der Augenhöhlen und des Jochbeins sowie ein Schädelhirntrauma. Juristisch ist das eine gefährliche Körperverletzung, aber nach Überzeugung der Kammer fehlte nicht viel zum versuchten Totschlag.
Mehrfache Drohungen
Klar ist nach der Beweisaufnahme mit der Aussage eines psychiatrischen Sachverständigen: Toni W. hat die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen. Seine paranoide Schizophrenie in Verbindung mit seiner Alkohol- und Drogenabhängigkeit sei Auslöser für den Gewaltexzess gewesen. „Sie sind dann in Ihrer eigenen Welt, und wenn Sie in dieser Situation jemand von außen anspricht, kann es gefährlich werden, vielleicht weil Sie sich angegriffen fühlen.“ Mit diesen Worten erklärt der Vorsitzende Richter Michael Smolski dem Beschuldigten, was aus Sicht der Kammer das Problem ist.
Und jener Ausbruch am 8. Januar sei nicht der einzige gewesen, fügt Smolski hinzu. Der Beschuldigte fiel in der Vergangenheit mehrfach durch Drohungen gegenüber Polizeibeamten, Supermarktmitarbeitern und später auch während seiner Unterbringung gegenüber Krankenhauspersonal auf. Das sei zwar immer glimpflich ausgegangen, zeige aber dennoch seine Gefährlichkeit.
Einsicht in die Krankheit fehlt
Man könne nun im psychiatrischen Krankenhaus auf seiner Aussage aufbauen, dass ihm der Übergriff vom Januar leid tue, hebt Smolski hervor. Aber es fehle an Einsicht in die Krankheit. Deshalb sei eine Behandlung außerhalb des Haftkrankenhauses unmöglich. Die Verteidigung hatte in dem Sicherungsverfahren gegen Toni W. keinen konkreten Antrag gestellt. Das deutet darauf hin, dass auch in ihren Augen eine Unterbringung geboten ist.
Aussagekräftige Statistiken darüber, wie lange Menschen durchschnittlich im Maßregelvollzug bleiben, sind rar. Die Opferschutzorganisation Weißer Ring hat jüngst für eine Publikation Zahlen aus ganz Deutschland zusammengetragen. Demnach bleiben schuldunfähige Täter in Brandenburg im Schnitt für knapp zehn Jahre untergebracht. In die Statistik flossen aber lediglich die entlassenen Personen ein. Nicht zu vergessen sind jedoch jene Insassen, die weiter als gefährlich gelten und womöglich nie in ihrem Leben freikommen.
Die Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Brandenburg sind nach Angaben des Sozialministeriums weiterhin überbelegt. 2024 lag die durchschnittliche Belegung in der geschlossenen und der offenen Unterbringung bei knapp 15 Prozent über der Kapazität. Das waren 307 belegte Plätze. Allerdings sind nur 269 reguläre Plätze vorhanden. Das Sozialministerium wies darauf hin, dass Gerichte immer häufiger von einer Unterbringung im Maßregelvollzug Gebrauch machen.