Arte-Mediathek Die beeindruckende Serie „Die Vormundschaft“ erzählt von einer jungen Witwe, die um ihre Kinder kämpft und gegen das Patriarchat rebelliert.
Diese Serie hat ein ungewohntes Zeitmaß. Der dramatische Bogen spannt sich über 15 Folgen. Das wären bei Netflix und Co. mindestens zwei, drei Staffeln. Aber „Die Vormundschaft“, abrufbar in der Arte-Mediathek, ist eine ägyptische Produktion, und was sie zu erzählen hat, hat keine Mühe, 15 Folgen lang erzählt zu werden.
„Die Vormundschaft“ war bei den Zuschauern des Nahen Ostens ein Riesenerfolg. Wie schon der Film „Onid Hallan“ (1975) von Said Marzouk, der eine Änderung des Scheidungsgesetzes zugunsten der Frauen bewirkte, nimmt auch die Serie Partei für die Rechte der Frauen. „Die Vormundschaft“ von Regisseur Ahmed Shaker Khodeir greift dabei ein weiteres brennendes Thema auf. Attackiert werden die Ungerechtigkeiten in einer Gesellschaft, die vom Patriarchat und vom Machismo ägyptischer Prägung gekennzeichnet ist.
Unter beidem leidet die zweifache Mutter Hanane (Mona Zaki), die gerade Witwe geworden ist. Das ägyptische Gesetz stellt Halbwaisen nach dem Tod des Vaters unter die Vormundschaft des Großvaters väterlicherseits. Dagegen rebelliert Hanane, sie will ihre Zukunft und die ihrer Kinder, Baby Farah und Sohn Yassin, selbst bestimmen. Sie flieht aus Alexandria, „leiht“ sich ein Fischerboot, will mit neuer Identität als Laila ein selbstbestimmtes Leben führen.
Im Wechsel zwischen Gegenwart und Flashbacks offenbaren sich Beweggründe für das, was Hanane/Laila an- und umtreibt. Da sind die Hürden der Bürokratie, wenn wieder und wieder Dokumente fehlen, was den Schulbesuch von Yassin verhindert. Da ist die Korruption, wenn Hanane sich auf dem Schwarzmarkt einen neuen Ausweis beschaffen will, um ihre Witwenschaft zu tarnen. Da ist die Bedrängnis, der sie sich als Kapitänin eines Fischerbootes ausgesetzt sieht.
Die Perspektive wird um ihre Schwester Sana und ihre Freundin Mona erweitert. Ihre Beziehungen sind von Zerwürfnissen, Streit, Versöhnung und Verzweiflung darüber gekennzeichnet, was ihre Partner ihnen zugestehen wollen und was nicht. Gerade Saleh, der potenzielle Bräutigam von Mona, stellt sich gegen Hanane.
Zuweilen streifen die 15 Folgen die Grenzen zur Seifenoper, weil sich Glück und Unglück in so schneller Folge abwechseln. Aber „Die Vormundschaft“ verfolgt im Kern ein höheres Ziel. Die Serie stellt die Frage: Kann die Selbstermächtigung einer Frau gelingen in einer Gesellschaft, die ihr diese Selbstermächtigung verwehrt und stattdessen Gefolgschaft im Schatten des Mannes fordert? Hanane jedenfalls hat sich entschieden: Sie kämpft, auf vielerlei Wegen, mit vielerlei Mitteln, gegen vielerlei Widerstände.
Mona Zaki spielt Hanane/Laila in einem überzeugenden Auf und Ab aus Verletzlichkeit und Entschlossenheit. Sie ist eine ägyptische Mutter Courage – einfühlsam, überbordend in Zuneigung und Ablehnung und schlau, wenn es gilt, sich durchzusetzen. Der Zuschauer folgt ihr mit gedrücktem Daumen und kann tief in eine Kultur eintauchen, die einem fremdartig und zugleich sehr nahe vorkommt.
„Die Vormundschaft“, abrufbar in der Arte-Mediathek