Immobilie Das Schloss Werneuchen war als Botschaft, Rathaus und Amtssitz des Bundespräsidenten im Gespräch. Die Pläne scheiterten. Der betagte Besitzer sucht jetzt einen Käufer.
Wer durch das Tor tritt, sieht einen Bau, der außen glänzt und innen immer noch auf seine Zukunft wartet. Jetzt soll das Schloss Werneuchen nach zwanzig Jahren mit etwas Glück einen neuen Besitzer finden – für 5,4 Millionen Euro. Bauunternehmer und Besitzer Wolfgang Weiss, fast 90 Jahre alt, will verkaufen. „Mitnehmen kann ich es ja nicht, ich gehe auf die 90 zu“, sagt er.
Als er das Schloss in den 90er Jahren erwarb, war der Bau ein Sanierungsfall. Überall regnete es hinein, Decken waren verfault, Feuchtigkeit drang ins Mauerwerk. Weiss ließ das Haus trockenlegen, das Dach komplett erneuern, Fenster restaurieren und teilweise neu einsetzen.
Seitdem verfällt es nicht mehr – auch wenn es bis heute innen unvollendet blieb. Absicht, sagt der Eigentümer. Wer vor einem Nutzungskonzept ausbaut, baut am Bedarf vorbei. „Wenn man es dann verkaufen will, hat jeder andere Vorstellungen – dann hat man alles umsonst gemacht.“
Weiss ist inzwischen im Ruhestand. Das sogenannte Schloss kaufte er einst aus Überzeugung, weil er an dessen Zukunft glaubte. „Ich wollte es wieder aufbauen, denn das Haus hat etwas.“ Der Satz fällt mehrfach. Doch geblieben ist das Warten – ein Käufer oder Nutzer kam nie, immer nur fast.
Pläne für eine Botschaft
Noch bevor Weiss Eigentümer wurde, wollte die umstrittene Sekte Scientology das Schloss erwerben. Sie erhielt fast alle alten Pläne – und gab sie nie zurück. Ein Kauf kam nicht zustande.
Dann trat Wolfgang Weiß auf den Plan. Mit den verbliebenen Unterlagen wollte er eine neue Zukunft für das Herrenhaus entwickeln. Er schrieb Botschaften in aller Welt an – 193 Länder. „Ich wollte eine Botschaft in das Gebäude holen, habe ihnen die Pläne hingeschickt.“ Sechs reagierten, interessierten sich für das imposante Gutshaus. Doch als die Delegationen in Berlin ankamen, wollten sie plötzlich doch nur Adressen in der Hauptstadt. Werneuchen? „Zu weit draußen.“ Dabei liegt es nur hinter der Stadtgrenze, mit Bahnanschluss im Halbstundentakt. „Werneuchen ist wunderbar angebunden – besser geht es nicht.“
Die wohl größte Chance kam ein paar Jahre später aus dem Bundespräsidialamt. Bevor Schloss Bellevue 2004 bis 2005 saniert wurde, suchte man eine Ausweichresidenz. Die Delegation reiste an, prüfte Säle, Kapazitäten, Miete. „Da gab es keine Debatte, das Geld war nicht das Problem.“
Ein Saal für 450 Gäste, wöchentliche Empfänge – alles passte. Bis auf die Wegezeit. „Die Fahrt von Berlin raus nach Werneuchen und zurück – dann hätten sie nur noch vier statt sieben Veranstaltungen geschafft.“ Am Ende scheiterte es an der Distanz. Für Werneuchen wäre es der große Auftritt gewesen. „Werneuchen wäre weltbekannt geworden“, sagt Weiss.
Auch lokale Interessenten traten auf. Die Stadt erwog, das Schloss als Rathaus zu nutzen – entschied sich letztendlich dagegen, man hatte gerade das eigene Gebäude erweitert. Die Sparkasse überlegte, einzuziehen. Doch nur für eine Etage. „Am Ende blieb zu viel ungenutzte Fläche.“ Also blieb es beim Neubau.
Erzählt Wolfgang Weiss von den Jahren, schwingt neben Stolz auch Ärger mit. Etwa über Fördermittel, die verweigert wurden, weil er beim Dach keine einfache Dachpappe verwenden wollte, sondern eine hochwertige Konstruktion. „Im Jahr nach 2000 renovierte man doch kein Dach mit Pappe.“ Ähnlich beim Zaun: 400 Meter Schmiedeeisen, zunächst abgelehnt, dann vom Denkmalschutz gelobt. Heute steht er. „Und plötzlich hieß es, so sei es von Anfang an gewollt gewesen“, erzählt Schlossbesitzer Weiss.
In den Jahren der Sanierung war das Schloss zudem nicht vor Vandalismus geschützt: Fast wöchentlich wurde eingebrochen, Baumaterial und Werkzeug verschwanden. Auf dem blauen Marmor im Inneren prangt noch heute eine Liebesbotschaft als Graffiti. Eine B.Z.-Ausgabe von 2004 liegt in einem der Zimmer, eingeritzte Namen und zwei Hakenkreuze sind an einer Wand im Obergeschoss zu sehen.
Das Schloss selbst ist imposant. 1500 Quadratmeter Wohnfläche, Decken von 4,50 Metern Höhe. Eine geschwungene Eichentreppe führt hinauf, im Bogen, repräsentativ. Ein Kamin aus blauem Marmor verziert den Eingang. Wände so dick wie Mauern einer Festung, betont er: oben 40 Zentimeter, unten 86. Große Räume, elf mal sechs Meter, lichtdurchflutet, weil die Hälfte jeder Außenwand aus Fenstern besteht. Selbst der Keller ist mehr Souterrain: sechs Stufen tiefer, 2,85 Meter hoch, Fenster über Geländeniveau. „Ein richtig tolles Wohngeschoss.“
Einst zierte ein herrschaftlicher Wintergarten den Ostgiebel, er reichte bis an die Unterkante des Haupthauses. Heute ist er verschwunden, geblieben ist die Erinnerung an den einstigen Glanz. „Dass man so etwas abreißt, ist mir unverständlich“, sagt Weiss fassungslos.
Der Besitzer hat längst gerechnet: vier bis fünf Wohnungen pro Etage ließen sich herauslösen. Und er hat gebaut: Auf dem Dach steht bereits eine acht mal acht Meter große Plattform aus Edelstahl, von unten nicht sichtbar, ringsum von Bäumen verdeckt. „Sommerfeste dort oben – herrlich.“
Doch Träume prallen auf die Realität der Region. Hotels? Keine Chance, sagt er. Zu viele solcher Projekte im Umland, die nach kurzer Zeit gescheitert sind. „Ein Hotel rechnet sich nur in der Großstadt, welches jeden Tag belegt ist. In Werneuchen sicher nicht.“ Dabei ist es doch gar nicht so weit, betont er. Die Bahn bringt einen in 20 Minuten bis an die Berliner S-Bahn. Aber für Berliner Pläne ist es bisher trotzdem zu weit draußen.
Robert Stock, Telefonpionier und Erfinder aus Berlin, erwarb das Gut Anfang des 20. Jahrhunderts und übergab es bald an seinen Schwiegersohn Hans Müller, einen Großbauern aus Mehrow. Müller ließ um 1913 anstelle des alten Posthauses ein prunkvolles Landhaus errichten. Stock war ein Tüftler, ein Visionär – sein Geist steckt, sagt der Eigentümer, bis heute in den Mauern. „Das Haus hat etwas.“
Sein Plan heute: verkaufen. Nicht renovieren, nicht umbauen. „Ich kann es ja nicht mit ins Grab nehmen.“ Mit fast 90 Jahren denkt er nüchtern. Millionen hat er schon in das Gebäude gesteckt. Doch er überlässt den nächsten Schritt lieber dem Käufer. Innen bleibt vieles unberührt, damit andere nicht zurückbauen müssen.