Vorteil für Kommunen: Sichere Jobs in unsicherer Zeit

Stellenmarkt Ob Künstliche Intelligenz oder Headhunter: Auch der Öffentliche Dienst hat sich bei der Personalsuche professionalisiert.

Allein im Bereich IT werden im Öffentlichen Dienst bis 2030 über 140.000 Fachkräfte fehlen – das hat die Unternehmensberatung McKinsey prognostiziert. Über alle Berufe gesehen soll die Lücke an Vollzeitfachkräften bei 840.000 liegen. Als Hauptgrund für diesen Engpass machte die Düsseldorfer Unternehmensberatung den Ausstieg der Babyboomer aus: Im Laufe dieses Jahrzehnts werden anderthalb Millionen von ihnen aus Altersgründen ausscheiden.

Doch wie finden gerade Kommunen Fachkräfte, wenn die freie Wirtschaft lockt? Ingenieure aus der freien Wirtschaft etwa hätten Vorbehalte, wenn es um einen Einstieg bei Kommunen oder Behörden gehe. Ausgelöst würden die, so Frank Weingarten, Headhunter des Personalberaters Headsahead, „durch starre Organisationsstrukturen, eine traditionelle Führungskultur, die geringere Vergütung, weniger Leistungsorientierung im Hinblick auf Karrierechancen, weniger moderne Arbeitsplatzgestaltung, längere Rekrutierungsprozesse sowie weniger Personalentwicklungsangebote“.

Die Kommunen versuchen, diesen Vorbehalten zu begegnen und Fachkräfte zu finden. Aktuell hilft ihnen dabei die Wirtschaftslage. „Wir haben krisensichere Arbeitsplätze, und wir haben eine hundertprozentige Standortsicherheit“, erklärt Christine Reinfurth, Abteilungsleiterin Personalmanagement der Stadt Karlsruhe. Das habe die Attraktivität städtischer Arbeitgeber erhöht: „Man merkt einfach die allgemeine Wirtschaftslage, die doch den Öffentlichen Dienst wieder ein bisschen attraktiver macht.“ In der freien Wirtschaft werde zwar mehr bezahlt, aber der Öffentliche Dienst biete „eben mehr Jobsicherheit“. In aller Regel würde es im Moment mit den Stellenbesetzungen gut klappen.

Brunneningenieur gesucht

Die Beamtin kann sich allerdings noch gut an die Stellenausschreibung eines Brunneningenieurs erinnern, die dreimal wiederholt werden musste, bis der passende Kandidat gefunden wurde: „Aber in jüngster Zeit bekommen wir unsere Stellen wieder besser besetzt.“ Zuweilen greift die Stadt Karlsruhe bei der Suche auch auf Headhunter zurück.

Einer von ihnen ist Weingarten. Er war daran beteiligt, eine Führungskraft für den Wirtschaftssektor in Baden-Württembergischen Metropole zu finden: „Verstärkt rekrutiert der öffentliche Sektor seine Führungskräfte über Personalberater, in der Regel beginnt die Suche bei den Besoldungsgruppen A 14/ A 15, aber durch den großen Bedarf an Fach- und Führungskräften setzt die Suche über Berater inzwischen auch schon früher an.“

Häufig sucht er Persönlichkeiten, die bereits im Öffentlichen Dienst tätig sind. Dabei kann es bis zu sechs Monate dauern, geeignete Personen für dieses Segment zu finden, wo größere Gremien sowie politische Parteien eine Rolle spielen. In der Privatwirtschaft seien es im Schnitt zwischen drei und vier Monate. „Die Beschäftigung im Öffentlichen Dienst bietet auch große Vorteile“, betont der Personalberater, „die Arbeitsplätze bieten eine hohe soziale Sicherheit, und bereits in jungen Jahren können sich größere Führungsspannen ergeben“. Auch Work-Life-Balance sei einfacher zu realisieren als in der freien Wirtschaft. Und: „Die Möglichkeit, gesellschaftlich sowie politisch mitzugestalten und entsprechend Verantwortung zu übernehmen, übt ebenso große Attraktivität aus.“

Die Kommunen wollen sich indes bei der Suche mehr professionalisieren. „Wir haben eine Stelle für Eignungsdiagnostik eingerichtet“, sagt etwa Reinfurth, „hier werden moderne Instrumente für die Personalauswahl, wie zum Beispiel Interviewleitfäden, Assessment-Center und andere Messmethoden entwickelt – also alles das, was wir für die Verfahren benötigen, um die am besten geeigneten Bewerberinnen und Bewerber zu identifizieren.“

Effektiver mit KI

Ebenfalls gute Erfahrungen macht zurzeit Andreas Sauter von der Personal- und Organisationsentwicklung in Ulm: „Im Rahmen der Landesgartenschau haben wir viele große Bauprojekte, für die wir viele Stellen mit sehr guten Leuten besetzen konnten.“ Grundsätzlich, so Sauter, liegt auch der Fokus in Ulm aktuell darauf, die Personal- und Organisationsentwicklung noch effektiver zu gestalten: „Und das mit dem Einsatz neuer Technologien oder dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Dabei arbeiten wir intensiv mit der IT sowie allen anderen Fachbereichen zusammen.“ Bei der Optimierung und Einführung neuer Prozesse gehe es vor allem darum, die „große Mannschaft“ ebenfalls mitzunehmen.

DDR-Plattenbau sanieren und sparen

Modernisierung In Ludwigsfelde wurde ein Block aus den 1980er-Jahren nach einem besonderen Modell auf Vordermann gebracht. Mieter dürften mit dem Ergebnis doppelt zufrieden sein.

Mehr als die Hälfte der Plattenbauten in Ostdeutschland könnten grundlegend saniert werden, ohne dass die Mieter während der Sanierung ausziehen müssen und ohne dass die Mieten danach deutlich steigen. Das ist das Ergebnis eines Modellprojektes in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming), bei dem 82 Wohnungen eines WBS-70-Plattenbaus bis Mai dieses Jahres energetisch saniert wurden – unter anderem durch den Einbau dreifach verglaster Fenster, Dämmung der Fassade und der Kellerdecken sowie der Installierung von Photovoltaik­modulen. Wie ist das gelungen?

Das Besondere an der Vorgehensweise: Die Fassadenelemente aus Holz mit Wärmedämmung und neuen Fenstern wurden in Estland vorgefertigt und dann vor die bestehende Fassade des 102 Meter langen Gebäuderiegels der Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde Märkische Heimat montiert. Damit ist erstmals ein Plattenbau nach dem Modell „Energiesprong“ saniert worden.

Der Name stammt aus den Niederlanden, wo die schnelle und kostengünstige Gebäudesanierung durch die serielle Vorfertigung verbreitet ist. „Der geplante Zeit- und Kostenrahmen wurde bei uns zu 100 Prozent erreicht“, sagt Karsten Wassermann, Abteilungsleiter Bauen und Technik bei der Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde. Für die Mieter bedeutet der „Energiesprong“, dass ihre durchschnittliche Kaltmiete von 5,66 Euro um zwei Euro pro Quadratmeter auf 7,66 Euro steigt. Gleichzeitig rechnet die an der Sanierung beteiligte Ingenieurgesellschaft BBP Bauconsulting aus Berlin damit, dass der Energieverbrauch in dem 1982 errichteten fünfstöckigen Gebäudekomplex um mehr als 40 Prozent sinken wird.

Die Beeinträchtigungen für die Mieter während der siebenmonatigen Sanierung hielten sich in Grenzen: Die Arbeiten in jeder Wohnung dauerten rund eine Woche, unter anderem für den Ausbau der alten Fenster, die Montage der Leibungsbekleidungszargen und die Erneuerung der Thermostatventile an den Heizungen. Zudem wurden Balkone und Hauseingänge erneuert.

Firma aus Frankfurt baut mit

Die Sanierung führte die Seeria Renova GmbH aus, ein Zusammenschluss der Unternehmen REMA Haustechnik aus Frankfurt (Oder), BBP Bauconsulting aus Berlin und Matek aus Tallinn. Mit dem deutsch-estnischen Partner will die Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde auch bei ihrem nächsten Sanierungsprojekt zusammenarbeiten, das im kommenden Jahr starten soll.

Da Plattenbauten bereits nach Prinzipien der seriellen und modularen Fertigung geplant und in Großtafelbauweise errichtet wurden, gelten sie als optimal geeignet für die serielle Sanierung. „Das hat sich durch die Erfahrungen in Ludwigsfelde bestätigt. Die Haustypen WBS 70 und P2 sind besonders gut für die serielle Sanierung geeignet, aber grundsätzlich ist sie auch in fast allen anderen Plattenbautypen möglich“, sagt Matthias Gaudig, Prokurist der BBP Bauconsulting. Er geht davon aus, dass mit den in Ludwigsfelde gemachten Erfahrungen Plattenbauten künftig schneller und günstiger auf einen besseren energetischen Standard gebracht werden können. WBS 70 war mit 600.000 Wohneinheiten der meistgebaute Plattenbautyp in der DDR.

„Energiesprong“ auch für Kitas

Neben der Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde setzen 21 Wohnungsunternehmen aus ganz Deutschland auf das Projekt Energiesprong – nach niederländischem Vorbild haben sie inzwischen mehr als 110 Mehrfamiliengebäude, Einzelhäuser sowie Schulen und Kindergärten vor allem aus den 1950er- bis 1970er-Jahren saniert (www.energiesprong.de). Dabei werden Fassadenteile seriell vorgefertigt, um Arbeitskraft, Kosten und Zeit einzusparen. Ein erster Prototyp, der durch Photovoltaikanlage, Wärmepumpe, Lüftung und Dämmung mehr Energie erzeugt, als die Bewohner verbrauchen, wurde 2020 im niedersächsischen Hameln fertiggestellt.

Das bundesweit umfangreichste Energiesprong-Projekt läuft derzeit in Erlangen (Bayern). Gerade wurde dort die Sanierung von 132 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern aus den 1950er- und 1960er-Jahren der Gewobau Erlangen abgeschlossen. Weitere 475 Wohnungen sollen im kommenden Jahr in Erlangen-Süd auf den neuesten Stand gebracht werden.

So ein Energiesprung scheint dringend notwendig: Rund ein Drittel der klimaschädlichen CO2-Emissionen entstehen durch den Energieverbrauch beim Wohnen. Damit die Gebäude weniger Energie benötigen, müsste die derzeitige Sanierungsquote von einem Prozent in Deutschland verdoppelt werden – nur so können laut Experten die Klimaziele erreicht und bis 2050 rund 15 Millionen Häuser saniert werden, die aktuell bis zu fünfmal mehr Energie verbrauchen, als technisch notwendig wäre. Wegen fehlender Fachkräfte, hoher Investitionen und der Angst der Bewohner vor einem deutlichen Anstieg der Miete geht es damit bislang nur schleppend voran.

Die Kosten der Sanierung in Ludwigsfelde lagen bei 6,7 Millionen Euro, davon wurde ein Teil über Fördermittel finanziert. Die Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde hatte bereits bei der Planung entschieden, die Miete um maximal zwei Euro pro Quadratmeter heraufzusetzen. Sie hätte auch eine höhere Modernisierungsumlage festlegen können.

E-Autos bis 2035 ohne KfZ-Steuer?

Mobilität Die bisher geltende Regelung soll um zehn Jahre verlängert werden, um Kaufanreize zu schaffen.

Berlin. Die Bundesregierung will die Kfz-Steuerbefreiung für Elektroautos bis 2035 verlängern. „Damit wir in den nächsten Jahren sehr viel mehr Elektroautos auf die Straße bringen, müssen wir jetzt die richtigen Anreize setzen“. sagte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD). „Deshalb werden wir E-Autos weiterhin von der Kfz-Steuer befreien.“ Klingbeil kündigte an, er werde dazu einen Gesetzentwurf vorlegen. Nach bisherigem Stand würde die Steuerbefreiung für neu zugelassene reine E-Autos ab dem 1. Januar 2026 nicht mehr greifen. Durch die Gesetzesänderung soll das Halten von reinen E-Fahrzeugen begünstigt werden, die bis zum 31. Dezember 2030 erstmalig zugelassen werden. Die maximal zehnjährige Steuerbefreiung soll begrenzt werden bis zum 31. Dezember 2035, um einen Anreiz für die frühzeitige Anschaffung eines reinen Elektrofahrzeuges zu geben, wie es aus dem Finanzministerium hieß.

Dem Bund entstehen dadurch in den kommenden Jahren Steuermindereinnahmen von mehreren hundert Millionen Euro. Klingbeil nannte die geplante Steuerbefreiung als einen Baustein, über den am Donnerstag beim „Automobildialog“ beraten werden soll. „Wir müssen jetzt ein starkes Paket schnüren, um die deutsche Automobilindustrie in die Zukunft zu führen und Arbeitsplätze zu sichern“, sagte Klingbeil. „Wir wollen, dass die besten Autos weiterhin in Deutschland gebaut werden.“ Die Zukunft sei elektrisch.

Maßnahmen beim Autogipfel

Die Autobranche hat mit einer Absatzflaute, Konkurrenz aus China und dem Wandel zur E-Mobilität zu kämpfen. Dazu kommt der Zollstreit mit den USA. Viele Unternehmen fahren einen Sparkurs und bauen Stellen ab.

Beim „Autogipfel“ könnte die Regierung weitere Maßnahmen auf den Weg bringen. So ist im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD von einem „Programm für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen“ die Rede, um den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität gezielt zu unterstützen. Dabei geht es um eine staatliche Förderung für das Leasing von E-Autos.

Meggle darf Molkereien übernehmen

Bonn/Wismar. Der Molkerei-Konzern Meggle (Wasserburg am Inn/Bayern) darf den Milchverarbeiter Rücker GmbH in Aurich (Niedersachsen) und die Ostsee-Molkerei GmbH in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) übernehmen. Das Bundeskartellamt hat dafür grünes Licht gegeben.

„Wir haben uns das Vorhaben sehr genau angesehen, da es zwischen den beteiligten Unternehmen eine Überschneidung bei der Herstellung von Sahne, Käse, Butter und Milchpulver gibt“, erklärte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt. „Unsere Ermittlungen haben aber ergeben, dass die Marktanteile in den sich überschneidenden Bereichen keine problematischen Höhen erreichen und es weiterhin hinreichenden Wettbewerb gibt.“

Auch beim Milcheinkauf sehen die Wettbewerbshüter kein Problem. Die beteiligten Unternehmen bezögen ihre Rohmilch aus verschiedenen Regionen Deutschlands, hieß es. Milchbauern legen Wert auf unterschiedliche Molkerei-Unternehmen in ihrer Reichweite. Eine zu große Marktkonzentration in diesem Bereich lässt sie Druck auf die Einkaufspreise befürchten.

Meggle stellt laut Bundeskartellamt Butter, Butterspezialitäten wie Kräuterbutter sowie gefüllte Backwaren für Groß- und Endverbraucher her. Auch Käse, Milchfrischprodukte und Milchpulver gehören demnach zum Produktportfolio. Rücker und die Ostsee-Molkerei produzieren den Angaben zufolge vor allem Käse und Butter, Sahne, Milchpulver und vegane Käse-Alternativen.

Lebensmittel Das Unternehmen will auch im Osten expandieren. Das Bundeskartellamt hat den Fall geprüft.

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