Welche Ziele Axel Strasser für das Rathaus hat
OB-Wahl Kurz vor der Stichwahl in Frankfurt (Oder) äußert sich der parteilose Kandidat Axel Strasser im Interview über seine Unterstützer, seine Ideen für die Verwaltung und den Umgang mit Kritik.
Bis zum 5. Juni dieses Jahres kannten Axel Strasser nur wenige Politikinteressierte in Frankfurt (Oder). An diesem Tag gab der Parteilose seine Kandidatur für das Oberbürgermeisteramt auf Instagram bekannt. Knapp vier Monate später hat er an diesem Sonntag (12. Oktober) die große Chance, OB zu werden.
Mit 32,4 Prozent lag der parteilose Bewerber am 21. September überraschend vor allen anderen Kandidaten. In der Stichwahl tritt er nun gegen Wilko Möller von der AfD an. Wenige Tage vor dem entscheidenden Wahlgang sprach der 48-Jährige – der bei der IHK arbeitet und promovierter Politikwissenschaftler ist – über seine Unterstützer im Wahlkampf, seine Pläne für die Ausrichtung der Stadtverwaltung, Lost Places in Frankfurt (Oder) und das Thema Hallenbad.
Herr Strasser, Ihr Wahlerfolg hat viele überrascht. Wie erklären Sie sich selbst das Ergebnis von 32,4 Prozent?
Das war auch für mich überraschend. Die AfD hatte ich stärker gesehen, freue mich aber, dass es nicht so gekommen ist. Ich glaube, mir haben der Haustürwahlkampf und die Präsenz bei größeren Veranstaltungen wie Klassik ohne Grenzen sehr geholfen, um bekannter zu werden. Der Kontakt mit den Bürgern ist mir wichtig. Einen großen Anteil aber hat vor allem mein Team.
Viele wissen nicht, wer eigentlich genau hinter Ihrer Kandidatur steht. Wer unterstützt Sie?
Aus einem kleinem Kreis von Freunden und Bekannten, die in der Stadt gut vernetzt sind, hat sich schnell ein breiteres Netzwerk entwickelt. Der Kreis an Unterstützern ist dann beständig gewachsen. Was mir wichtig ist, zu betonen: Ich werde mit Man- und Woman-Power unterstützt, da steckt ganz viel ehrenamtliche Arbeit von Menschen aus der Stadtgesellschaft dahinter. Es gab keinerlei finanzielle Unterstützung von Unternehmen.
Sie haben Ihren Wahlkampf aus eigener Tasche bezahlt?
Ja. Der Social-Media-Auftritt und das Design für meine Kampagne waren deshalb so professionell, weil es im Team Leute gibt, die das gut können und das in den Wahlkampf mit reingegeben haben. Ansonsten lagen die Kosten für das Drucken der Plakate, Flyer und Werbematerial, für Anzeigen und Social-Media-Ads bei knapp 10.000 Euro. Ich bin 48 Jahre alt, habe mein ganzes Leben gearbeitet, und hatte deshalb etwas Geld auf der hohen Kante – das ich einsetzen wollte, weil mir die Sache wichtig ist.
Es gibt also niemanden, der konkrete Erwartungen hegt, weil er Ihren Wahlkampf unterstützt hat?
Nein, es gibt ja auch kein Druckmittel. Denn finanzielle Unterstützung habe ich nicht gebraucht. Unabhängig zu bleiben, ist mir sehr wichtig.
Sollten Sie gewählt werden: Wissen Sie schon, wie Sie die Verwaltungsspitze aufstellen wollen?
Ob die bestehende Struktur die optimale ist, muss man sich nach der Wahl mit dem Bürgermeister und den Dezernenten genau anschauen. Ich kann mir vorstellen, umzustrukturieren, brauche dafür aber erst einen tieferen Einblick in die Verwaltungsstrukturen.
René Wilke setzte nach seinem Amtsantritt 2018 auf ein breites Parteiensprektrum an der Stadtspitze. Wäre das auch Ihr Ansatz?
Mir geht es um eine gute Verwaltung für die Stadt. Dafür braucht es qualifiziertes Führungspersonal, das die Mitarbeiter gut mitnehmen kann. Mit einer veränderten Führungskultur lässt sich viel bewegen. Mir ist bewusst, dass neue Beigeordnete und Dezernenten von den Stadtverordneten bestätigt werden müssen. Da wird es natürlich Gespräche geben. Ich will vor allem Leute gewinnen, die service- und lösungsorientiert handeln und Verantwortung für die Entwicklung der Stadt übernehmen. Die dürfen auch Mitglied einer Partei sein.
Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den Fraktionen vor? Würden Sie für Projekte oder Personalien auch Mehrheiten mit der AfD suchen?
Keine Frage, ein OB braucht Mehrheiten und muss deshalb regelmäßig Gespräche mit den Fraktionen führen. Ich werde allerdings nicht darauf bauen, gemeinsam Mehrheiten mit der AfD zu schmieden, und zwar aus politisch-ideologischen Gründen. Es passt aber auch menschlich nicht besonders.
Letzte Woche gab es ein erstes Gespräch mit Parteienvertretern. Wie lief es aus Ihrer Sicht?
Am Montag nach der Wahl habe ich alle Fraktionen per Mail angeschrieben. Daraus ist ein Treffen entstanden, zu dem ich eingeladen wurde. Mein Ziel war, Fragen zu klären und mögliche Irritationen auszuräumen. Ob das in allen Punkten gelungen ist, kann ich nicht abschließend beurteilen. Für mich war entscheidend klarzustellen, dass ich unabhängig bleibe. Ich fordere keine Unterstützung von den Parteien ein und verspreche da auch keine Gegenleistungen. Wer mich unterstützt, der tut das aus eigener Überzeugung. Mein Ziel ist es, Oberbürgermeister für die ganze Stadt zu sein.
Vielen Parteien sind skeptisch. Das BSW ruft gar dazu auf, sich bei der Stichwahl zu enthalten. Haben Sie Sorge, dass das Quorum verfehlt wird?
Ich nehme das nicht auf die leichte Schulter, sondern bin weiter viel unterwegs und im Gespräch mit Bürgern, um die Wahlbeteiligung hochzuhalten. Die Argumentation des BSW finde ich tatsächlich etwas verstörend. Natürlich bewegt viele, und mich auch, die Frage, wie es gelingen kann, den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine zu beenden und wieder in friedlichere Zeiten einzutreten. Aber Entscheidungen über Waffenlieferungen liegen nicht in der Hand eines OB.
Ihr Konkurrent nennt Sie einen „verkappten Linken“. Wo ordnen Sie sich selbst politisch ein?
Worauf Wilko Möller anspielt, ist, dass die Rosa-Luxemburg-Stiftung meine Promotion gefördert hat. Das ist auch ganz transparent auf meiner Internetseite nachzulesen. Damals hatten sich anlässlich 25 Jahren friedliche Revolution in Ost- und Mitteleuropa alle wissenschaftsfördernden Stiftungen für ein Stipendienprogramm zusammengetan, und ich habe eben das Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung bekommen. Politisch geht es bei mir eher in eine liberale Richtung. Ich changiere allerdings, und schaue inhaltlich auf die Ebene, auf der gerade gewählt wird.
Der nächste OB muss die Verwaltung reformieren, Millionen Euro an Personalkosten einsparen, Bürokratie abbauen, die Digitalisierung voranbringen. So sieht es ein zusammen mit dem Haushalt 2025 von den Stadtverordneten beschlossener Antrag vor. Wo wollen Sie ansetzen?
Ich sehe tatsächlich Potenzial in der Prozessoptimierung – und in der Kommunikation nach draußen. Viele Verwaltungsmitarbeiter leisten sehr gute Arbeit, sprechen aber nicht die Sprache der Bürger. Ansonsten wird es nach einer erfolgreichen Wahl erst einmal darum gehen, die Verwaltung kennenzulernen und viele Gespräche zu führen, um schnell ins Handeln zu kommen.
Über 150 Stadtbeschäftigte sind 61 Jahre oder älter, gehen also bald in Rente. Es braucht neue, junge Leute. Wie wollen Sie das Rathaus als attraktiven Arbeitgeber aufstellen?
Wertschätzung und Vertrauen spielen eine zentrale Rolle. Ich möchte die Mitarbeiter motivieren, selbst Entscheidungen zu treffen und zu vertreten. Viele Prozesse in der Verwaltung dauern einfach zu lange, weil Entscheidungen erst hierarchisch durch viele Ebenen und Ämter laufen. Was die Suche nach Personal angeht, muss sich die Stadt als moderner Arbeitgeber präsentieren und für das Recruiting auch die Möglichkeiten von Social Media stärker nutzen.
Anderes Thema: Die Stadt bietet sehr viel Kultur. Wird das auch in Zukunft so bleiben?
Wir leisten uns als Haushaltssicherungskommune tatsächlich ein sehr großes Kulturangebot. Und ich möchte, dass das so bleibt. Für mich war Kultur damals das Eintrittstor in die Stadt. Wichtig werden mittelfristig die Verhandlungen mit dem Land, zur Sicherung der Finanzierung für das Kleist Forum und das Staatsorchester, sein. Ich schätze aber auch solche Angebote wie die Magistrale Kunsthalle, in die wenig städtische Gelder fließen, und die trotzdem funktionieren.
In Frankfurt gibt es viele Lost Places. Welche Ruinen haben bisher zu wenig Beachtung gefunden?
Das alte Gaswerk an der Oderpromenade ist so ein Lost Place, der mir wichtig ist, weil ich mir eine stärkere Hinwendung der Stadt zur Oder wünsche. Dafür gab es ja auch schon eine Bebauungsidee und einen Investor. Andere Lost Places, die oft genannt werden, sind die ehemalige Stadthalle und Diskothek im Buschmühlenweg, das alte Musikheim oder die Kasernen in West. Ich bin gespannt, wo es bereits konkrete Gespräche oder Pläne gibt. Die Verwaltung hat da in den letzten Jahren bei privaten Investitionen auch viel richtig gemacht, wenn man sich das Kießlinghaus oder die Ferdinandshöfe anschaut. Das gilt es, weiter zu stärken.
Das Dauerchaos beim RE1 hat im Wahlkampf bisher kaum eine Rolle gespielt, sieht man von der Forderung nach einem Bahngipfel von SPD-Kandidatin Simona Koß ab. Was kann ein OB tun?
An das Thema müssen wir gemeinsam mit allen betroffenen Kommunen ran, für Pendler und Studierende ist das ein Riesenproblem. Allzu große Versprechungen kann ich zwar nicht machen. Auch ein Bahngipfel beschleunigt keine Bauarbeiten. Lösungen braucht es trotzdem.
Ein anderes großes Thema ist das Hallenbad. Sie plädieren für einen Neubau in Neuberesinchen. Warum dort? Und sollte dafür das Sondervermögen eingesetzt werden?
In Neuberesinchen gibt es viel Potenzial für den Eigenheimbau, vor allem im früheren WK IV. Und ein Ankerpunkt für eine künftige Entwicklung in dem Stadtteil könnte dann ein Schwimmbad sein. Auch eine Arbeitsgruppe aus Stadtverordneten und der Verwaltung hat unter anderem bereits die Fläche vor der Feuerwehr sowie hinter dem Netto in Neuberesinchen als mögliche Standorte identifiziert. Was die Umsetzung angeht, würde ich ungern die kompletten Infrastrukturmittel dafür einsetzen. Es gibt auch einen massiven Instandhaltungsrückstau bei Straßen und Wegen, Schulen und Kitas sowie Sportstätten. Es muss insgesamt darum gehen, mehr aus den Infrastrukturmitteln zu machen, weitere Fördertöpfe anzuzapfen und mit den Stadtverordneten eine Prioritätenliste auszuhandeln.
Was wird eher eröffnen: Ein neues Hallenbad oder ein Badeschiff in der Oder, wie es in Ihrem Wahlprogramm auftaucht?
Ein Badeschiff braucht private Investoren, mit öffentlichen Mitteln geht das nicht. Mir geht es mit meinem Vorschlag ja vor allem darum, den Blick auf eine Belebung der Oder zu richten. Deshalb würde ich mich freuen, wenn das Badeschiff zuerst kommt.
Die Erwartungen sind hoch, die Kassen knapp. Auch der nächste OB wird wie jeder Bürgermeister viel Kritik einstecken müssen – von Bürgern, Stadtverordneten, Medien. Wie gehen Sie damit um?
Ich glaube schon, dass ich mit Kritik gut umgehen kann. Auf die Kommunikation kommt es an. Ein Oberbürgermeister muss ehrlich erklären können, warum Dinge nicht gehen. Die meisten Leute verstehen dann durchaus, dass es gewisse Zwänge gibt. Das ist vor allem der Job des OB – aber auch der Dezernenten und Beigeordneten, die ich hier in Zukunft wieder stärker in der Pflicht sehe.
Viele Verwaltungsmitarbeiter leisten sehr gute Arbeit, sprechen aber nicht die Sprache der Bürger.