Verunglückte Debatte

  • Ellen Hasenkamp Chefreporterin NBR Sarah Eick

Nein, ein Abmarsch deutscher Friedenssoldaten Richtung Ukraine steht nicht bevor. Aber kategorisches Ausschließen von egal was ist auch keine Lösung.

Erinnert sich noch jemand? Es ist eine gefühlte Ewigkeit und zugleich gerade mal sieben Wochen her, dass der Frieden in Europa für ein paar aufregende Tage lang eine Chance zu haben schien: Als nämlich US-Präsident Donald Trump und der russische Staatschef Wladimir Putin sich auf dem roten Teppich in Alaska trafen. Doch weder die größten Befürchtungen – vor einem Ausverkauf der ukrainischen Interessen –, noch die größten Hoffnungen – auf eine dauerhafte Waffenruhe – wurden erfüllt. Inzwischen ist es beinahe, als habe das ganze Spektakel nie stattgefunden.

Das ist dramatisch für die Ukraine. Und es ist gefährlich für die Ukraine-Politik in Europa und in Deutschland. Denn die ohnehin nur mühsam in Gang gekommene Debatte über die Frage, wie sich der Kontinent eigentlich auf den Tag X eines Waffenstillstands oder gar eines Friedensschlusses vorbereitet, erlahmt schon wieder.

Dabei hatte zumindest ein Aspekt des Alaska- Gipfels deutsche Spitzendiplomaten förmlich elektrisiert: Erstmals nämlich war durch Trump selbst das Thema Sicherheitsgarantien für die Ukraine vorgebracht worden. Was in Berlin begeistert als mindestens indirektes Bekenntnis zum weiteren US-Engagement in der Sache gewertet worden war.

Was dann folgte, ist allerdings ein Musterbeispiel dafür, wie man eine solche Debatte gerade nicht führen sollte. Denn umgehend wurde entweder ein quasi bevorstehender Abmarsch von Bundeswehrsoldaten Richtung Ukraine beschrieben oder kategorisch eine wie auch immer geartete deutsche Beteiligung an egal was ausgeschlossen. Womit insgesamt zweierlei erreicht wurde: maximale Beunruhigung der Bevölkerung und höchste Verständnislosigkeit der Verbündeten.Wichtig ist, „Sicherheit“ nicht sofort und einzig mit Bodentruppen gleichzusetzen. Richtig ist zwar, dass es vermutlich irgendwann auch militärische Kräfte wird geben müssen, die einen robusten Puffer zwischen russischen und ukrainischen Gebieten bilden – und die so Gewalt hoffentlich verhindern. Dass Russland dabei keine westlichen und erst recht keine Nato-Soldaten akzeptieren will, ist bekannt. Aber sich die russische Position von vorn­herein zu eigen zu machen verbietet sich in diesem genauso wie in allen anderen Fällen.

Was sich für ein Land, das wiederholt seinen europäischen Führungsanspruch deklariert hat, erst recht verbietet, ist allerdings, sich von vornherein aus dem Auftrag abzumelden. Geradezu peinlich ist die Begründung, die Bundeswehr habe dafür nicht die Kapazitäten. Wer einerseits tönt, ein aggressives Russland mithilfe diverser Sondervermögen und jeder Menge Entschlossenheit abschrecken zu wollen, kann nicht gleich bei der ersten Anfrage abwinken: Sorry, leider grad nicht drin.

Die Führungsaufgabe nach innen lautet derweil: die Menschen vorsichtig und vernünftig darauf vorzubereiten, was Verantwortung für und Solidarität mit der Ukraine auch künftig heißen kann: milliardenschwere Hilfen, fortdauernde Waffenlieferungen, politisches Engagement. Und ja, vielleicht eines Tages auch die Entsendung deutscher Friedenssoldaten.

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Geradezu peinlich ist die Begründung, die Bundeswehr habe dafür nicht die Kapazitäten.

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