Demos und hitzige Debatten von Werneuchen bis Bernau

  • Haltung zeigen gegen Rechts: Rund 650 Menschen demonstrierten jüngst in Wandlitz für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Die nächsten Demos finden in Werneuchen und Bernau statt. Britta Gallrein

Rechte Auch im Barnim äußern sich immer mehr Menschen kritisch gegenüber der AfD. Jüngst ging es deswegen im Bernauer Stadtparlament hoch her.

Es ist ein Thema, das ganz Deutschland seit Wochen beschäftigt. Seit das Rechercheteam von Correctiv ans Licht brachte, dass es bei einem geheimen Treffen von Rechtsextremen, Funktionären der AfD, Mitgliedern der CDU, der Werteunion und Unternehmern gab, bei dem es um konkrete Pläne zur Vertreibung von Menschen aus Deutschland ging, wird überall heiß diskutiert. Im Bernauer Stadtparlament flogen jüngst die Fetzen.

Eigentlich geht es in den Versammlungen der Bernauer Stadtverordneten um kommunale Themen. So standen in der jüngsten Sitzung Dinge wie Verkehrssicherheit, die Pflege von Kleingewässern und die Entgeltordnung für die Nutzung von Gemeinderäumen auf der Tagesordnung. Doch die jüngsten Enthüllungen rund um die AfD wollte Klaus Labod (Grüne) nicht so einfach auf sich beruhen lassen und ergriff das Wort. Mit Bezug auf die Geschehnisse bei dem Geheimtreffen in Potsdam, als es um einen „Masterplan“ zur Massendeportation auch von deutschen Staatsbürgern ins Ausland ging, forderte er die im Bernauer Parlament vertretenen Mitglieder der AfD auf: „Im Namen der Gerechtigkeit und Demokratie: Kehren Sie um! Kommen Sie zurück auf den Boden unserer Verfassung, stoppen Sie die Hetze in Ihrem Herzen, gehen Sie den Weg der Menschlichkeit und Demokratie!“

Das wollte der Stadtverordnete Wilfried Lehmann von der AfD nicht auf sich sitzen lassen. Er habe mit einem Bekannten um eine Kiste Bier gewettet, dass das Thema in diesem Gremium nicht zur Sprache komme, so Lehmann. „Die Wette habe ich wohl verloren.“ In den Medien gebe es offensichtlich nur noch dieses Thema, kritisierte der AfD-Vertreter.

Warum, kann Lehmann offenbar nicht nachvollziehen. Er habe sich beim Bundesvorstand seiner Partei erkundigt, gab er bekannt. Der versucht gerade, die Auswirkungen der negativen Berichterstattung so gering wie möglich zu halten. Lehmann zitierte aus dem Schreiben des AfD-Bundesvorstandes, der erklärte, die Forderungen nach Remigration entsprächen der heutigen Rechtslage und ließen sich mittels verfassungskonformer Gesetzesänderungen durchsetzen. Verfassungswidrige Forderungen wie eine willkürliche Abschiebung von Ausländern unabhängig von einem bestehenden individuellen Aufenthaltsrecht oder gar die Abschiebung deutscher Staatsbürger seien nie von der AfD beschlossen worden.

Die Recherchen von Correctiv ergaben allerdings ein anderes Bild. Laut dem Rechercheteam ging es sehr wohl auch um die Vertreibung von Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund.

„Wenn die verbreiteten Meldungen – ob es Lügen sind, soll jeder für sich entscheiden – gestimmt hätten, dann wäre dies nicht mehr meine Partei“, lehnte sich Lehmann sehr weit aus dem Fenster. Denn laut Correctiv ist bislang trotz der Lügen-Vorwürfe niemand aus dem Kreis des Potsdamer Treffens gegen den Inhalt der Veröffentlichung vorgegangen.

Auch die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken, Dagmar Enkelmann, mischte sich in die Diskussion ein. „Dass hunderttausende Menschen in Deutschland derzeit auf die Straße gehen und gegen die Nazis in der AfD und anderer Organisationen in diesem Land protestieren, das sind keine Fake-News. Dass die AfD Nazis in ihren Reihen hat, ist mittlerweile bestätigt. Dass viele AfD-Mitglieder Rechtsextremisten sind, die unsere Demokratie abschaffen wollen, ebenso. Und ich bin dankbar dafür, dass viele Menschen sich jetzt einreihen und aufgewacht sind. Diese AfD kann man nicht wählen. Diese AfD darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben“, bezog sie klar Stellung.

AfD-Kollege Norbert Hinz versuchte, wie große Teile der AfD, den Spieß herumzudrehen und die rechte Partei als Opfer darzustellen. „Was sich jetzt auf den Straßen an Hass gegen die AfD abspielt, ist ungeheuerlich“, behauptete er. Bundesweit würden bereits AfD-Büros angegriffen. „Man stellt uns als Freiwild dar. So geht es nicht weiter“, fand der Vertreter der Partei, dessen schillerndster Vertreter, der völkische Hardliner Björn Höcke Politikern „verbrauchter Parteien“ eine „geistige Störung“ unterstellt, von „wohltemperierter Grausamkeit“ spricht und sich in völkischen Drohphantasien versteigt.

Weitere Demos gegen rechts

Derweil gehen auch am Wochenende die Proteste im Niederbarnim weiter. Nachdem unter anderem in Bernau, Ahrensfelde und Wandlitz bereits hunderte Menschen auf die Straße gegangen waren, sind weitere Aktionen in Bernau und Werneuchen geplant. Unter dem Motto „Hass ist keine Meinung! Demo für eine bunte Demokratie“ wird am Donnerstag von 17 bis 19 Uhr auf dem Marktplatz in Werneuchen demonstriert. Ziel sei es, ein starkes Zeichen gegen Hass und Hetze, gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu setzen, in Werneuchen und für den Barnim, erklärt Veranstalter Tom Rochau.

Am Sonnabend lädt dann das Netzwerk für Weltoffenheit und Toleranz aus Bernau unter dem Motto „Say their names“ zu einer Demo ein. Treffpunkt ist um 11 Uhr auf dem Bernauer Bahnhofsvorplatz. Die Demonstration läuft dann zum Marktplatz, wo ab 11.30 Uhr eine Kundgebung gegen rechts stattfindet. Der Slogan: „Sei nicht ständig gegen alles, aber immer gegen rechts“. Diese Veranstaltung ist Teil des bundesweiten Gedenkens an die rassistischen Anschläge in Hanau am 19. Februar 2020.

Die Demonstranten eint der Wunsch, ein starkes Zeichen gegen rechts zu setzen.

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