Entsetzen über die AfD
Migration In Wandlitz diskutieren die Landtagskandidaten des Wahlkreises Barnim III über das Thema Asyl. Lena Kotré (AfD) bekommt Buh-Rufe.
Bei der Landtagswahl kämpfen im Wahlkreis Barnim III (Werneuchen, Ahrensfelde, Wandlitz, Biesenthal-Barnim, Britz-Chorin-Oderberg) sieben Kandidaten um das Direktmandat: Sebastian Gellert (Grüne), Lena Kotré (AfD), Annett Klingsporn (SPD), Johannes Höhr (FDP), Sabine Buder (BVB/Freie Wähler), Isabelle Czok-Alm (Linke) und Ulrike Mauersberger (CDU). Am Montagabend (2. September) trafen sie bei einem Wahlforum in Wandlitz aufeinander. Insbesondere beim Thema Asyl und Migration ging es hoch her.
Extreme Ansichten
Wenig überraschend war es die AfD-Politikerin, die zu diesen Themen die extremsten Meinungen äußerte und unverhohlen rechte Ansichten vertrat. Unter anderem bezeichnete sie Geflüchtete und Asylsuchende als „problematische Gruppe, von der ein großer Teil kriminell ist“. Eine Behauptung, die so nicht stimmt. So schreibt das Bundeskriminalamt in seinem Bundeslagebild „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ für 2023, dass „die Mehrzahl der in Deutschland aufhältigen Zuwanderer/Zuwanderinnen nicht im Zusammenhang mit einer Straftat in Erscheinung trat“.
Auf die Frage eines Zuschauers, ob sie garantieren könne, dass die AfD nicht irgendwann auf die Idee kommen würde, seine in Deutschland geborene Frau mit türkischen Wurzeln ausweisen zu wollen, sagte Lena Kotré außerdem: „Das kann ich Ihnen nicht zu hundert Prozent beantworten. Ich kenne Ihre Frau ja gar nicht.“
Es waren Aussagen, mit denen die aktuelle Landtagsabgeordnete für große Entrüstung im bis auf den letzten Platz gefüllten „Goldenen Löwen“ sorgte. In Hinblick auf das Attentat in Solingen, bei dem ein Syrer auf einem Dorffest drei Menschen tötete und weitere schwer verletzte, sagte sie, dass Asylsuchende künftig von Dorffesten ausgeschlossen werden sollten, weil diese eben „überwiegend kriminell“ seien. Einen solchen Antrag habe die AfD deshalb im Brandenburger Landtag eingereicht. Dafür erntete sie laute Buh-Rufe.
Die anderen sechs Landtagskandidaten schüttelten ob der Äußerungen Kortrés oft mit dem Kopf. So sagte beispielsweise Sebastian Gellert (Grüne) in Bezug auf den genannten AfD-Antrag: „In welcher Welt wollen wir den leben? Wir können niemanden einfach wegschließen und nur noch aus der Perspektive der Angst agieren.“
Seiner Ansicht nach zeigten Diskussionen über solche Vorschläge, dass es in Deutschland keinen gesunden Umgang mehr mit dem Thema Asyl gebe. „Fakt ist, dass wir uns in einer modernen Welt nicht vor Zuwanderung verschließen können. Unsere Gesellschaft ist ohne Migration nicht mehr vorstellbar“, so Gellert. Als Beispiel nannte der Grüne ausländische Fachkräfte in Krankenhäusern oder im Handwerk. „Auch die Gastronomie ist auf Arbeiter aus dem Ausland angewiesen. Mir fehlt da ein Stück weit die Wertschätzung.“
Kotré erwiderte, dass es diese ausländischen Fachkräfte nicht brauche. Stattdessen sollten lieber wieder mehr deutsche Jugendliche ausgebildet werden. „Es gibt seit einigen Jahren eine Masseneinwanderung in unsere Sozialsysteme“, sagte sie. „Das können wir nicht hinnehmen. Diese Leute müssen wieder gehen. Wer über Migration spricht, muss sich auch mit Remigration beschäftigen.“ Sie nutzte dabei bewusst den Begriff, mit dem die AfD im Januar 2024 im Zusammenhang mit einem Geheimtreffen mehrerer Rechtsextremer in Potsdam im November 2023 für Schlagzeilen sorgte.
Es war eine Wortwahl, die die übrigen Kandidaten ablehnten. So sagte Annett Klingsporn (SPD), dass es Deutschland im Ausland viel Ansehen kosten würde, wenn so eine ausländerfeindliche Haltung salonfähig würde. „Wir sind seit jeher ein Einwanderungsland“, stimmte sie Gellert zu. „Wir können unseren Wohlstand nur erhalten, wenn wir weiterhin Menschen in unser Land kommen lassen.“ Um die Integration zu verbessern, sollte ihrer Meinung nach der Arbeitsmarkt schneller für Geflüchtete geöffnet werden.
Dass jedoch das Asylrecht überarbeitet werden müsse und Asylverfahren deutlich schneller durchgeführt werden müssten, darin waren sich alle Kandidaten einig. „Es dauert in Brandenburg im Schnitt 39 Monate, bis ein Asylverfahren entschieden ist“, sagte FDP-Vertreter Johannes Höhr. „Das ist viel zu lang.“
Ulrike Mauersberger (CDU) stimmte Höhr zu, zeigte allerdings auf, dass es das aktuell CDU-geführte Justizministerium geschafft habe, die Situation in den vergangenen fünf Jahren zu verbessern. „Als wir das Ministerium übernommen haben, dauerte so ein Verfahren noch 60 Monate“, sagte sie. Grundsätzlich sei es aber eindeutig, dass die aktuelle Asyl-Situation das Land überfordere. „Es muss gelingen, dass alle Asylsuchenden, die keinen Anspruch haben, in Deutschland zu bleiben, das Land verlassen müssen“, so die Christdemokratin.
Um die „aufgeheizte Debatte“ und die Asyl-Situation in Deutschland und Brandenburg zu beruhigen, plädierte Isabell Czok-Alm (Linke) dafür, Fluchtursachen besser zu bekämpfen. „Das heißt, dass wir den Klimawandel bekämpfen und damit aufhören müssen, Waffen in Kriegsgebiete zu schicken“, sagte sie. Damit Asylsuchende nicht zu lange auf Sozialleistungen angewiesen sind, warb sie wie Annett Klingsporn dafür, den Arbeitsmarkt zu öffnen. „Die allermeisten, die zu uns kommen, wollen arbeiten und Deutsch lernen“, so Czok-Alm. „Das müssen wir fördern und unterstützen.“
Wir können niemanden einfach wegschließen und nur aus der Angst agieren. Sebastian Gellert Grüne