DDR-Plattenbau sanieren und sparen

  • Novum in Brandenburg: In Ludwigsfelde hat die Wohnungsgesellschaft Märkische Heimat einen DDR-Plattenbau nach einer besonderen Methode sanieren lassen. Das Bild zeigt die Montage der Fassadenelemente. Foto: Märkische Heimat/Karsten Wassermann
  • Der DDR-Plattenbau aus den 1980er-Jahren hat auch neue Balkone erhalten. Foto: Märkische Heimat/Karsten Wassermann
  • Nach der neuartigen Sanierung des Wohnblocks steht den Mietern eine offene Wohnküche zur Verfügung. Foto: Märkische Heimat/Philipp Obkircher
  • Novum in Brandenburg: In Ludwigsfelde hat die Wohnungsgesellschaft Märkische Heimat einen DDR-Plattenbau seriell sanieren lassen. Die Fassadenelemente aus Holz und mit Fenstern wurden vorgefertigt. Karsten Wassermann

Modernisierung In Ludwigsfelde wurde ein Block aus den 1980er-Jahren nach einem besonderen Modell auf Vordermann gebracht. Mieter dürften mit dem Ergebnis doppelt zufrieden sein.

Mehr als die Hälfte der Plattenbauten in Ostdeutschland könnten grundlegend saniert werden, ohne dass die Mieter während der Sanierung ausziehen müssen und ohne dass die Mieten danach deutlich steigen. Das ist das Ergebnis eines Modellprojektes in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming), bei dem 82 Wohnungen eines WBS-70-Plattenbaus bis Mai dieses Jahres energetisch saniert wurden – unter anderem durch den Einbau dreifach verglaster Fenster, Dämmung der Fassade und der Kellerdecken sowie der Installierung von Photovoltaik­modulen. Wie ist das gelungen?

Das Besondere an der Vorgehensweise: Die Fassadenelemente aus Holz mit Wärmedämmung und neuen Fenstern wurden in Estland vorgefertigt und dann vor die bestehende Fassade des 102 Meter langen Gebäuderiegels der Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde Märkische Heimat montiert. Damit ist erstmals ein Plattenbau nach dem Modell „Energiesprong“ saniert worden.

Der Name stammt aus den Niederlanden, wo die schnelle und kostengünstige Gebäudesanierung durch die serielle Vorfertigung verbreitet ist. „Der geplante Zeit- und Kostenrahmen wurde bei uns zu 100 Prozent erreicht“, sagt Karsten Wassermann, Abteilungsleiter Bauen und Technik bei der Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde. Für die Mieter bedeutet der „Energiesprong“, dass ihre durchschnittliche Kaltmiete von 5,66 Euro um zwei Euro pro Quadratmeter auf 7,66 Euro steigt. Gleichzeitig rechnet die an der Sanierung beteiligte Ingenieurgesellschaft BBP Bauconsulting aus Berlin damit, dass der Energieverbrauch in dem 1982 errichteten fünfstöckigen Gebäudekomplex um mehr als 40 Prozent sinken wird.

Die Beeinträchtigungen für die Mieter während der siebenmonatigen Sanierung hielten sich in Grenzen: Die Arbeiten in jeder Wohnung dauerten rund eine Woche, unter anderem für den Ausbau der alten Fenster, die Montage der Leibungsbekleidungszargen und die Erneuerung der Thermostatventile an den Heizungen. Zudem wurden Balkone und Hauseingänge erneuert.

Firma aus Frankfurt baut mit

Die Sanierung führte die Seeria Renova GmbH aus, ein Zusammenschluss der Unternehmen REMA Haustechnik aus Frankfurt (Oder), BBP Bauconsulting aus Berlin und Matek aus Tallinn. Mit dem deutsch-estnischen Partner will die Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde auch bei ihrem nächsten Sanierungsprojekt zusammenarbeiten, das im kommenden Jahr starten soll.

Da Plattenbauten bereits nach Prinzipien der seriellen und modularen Fertigung geplant und in Großtafelbauweise errichtet wurden, gelten sie als optimal geeignet für die serielle Sanierung. „Das hat sich durch die Erfahrungen in Ludwigsfelde bestätigt. Die Haustypen WBS 70 und P2 sind besonders gut für die serielle Sanierung geeignet, aber grundsätzlich ist sie auch in fast allen anderen Plattenbautypen möglich“, sagt Matthias Gaudig, Prokurist der BBP Bauconsulting. Er geht davon aus, dass mit den in Ludwigsfelde gemachten Erfahrungen Plattenbauten künftig schneller und günstiger auf einen besseren energetischen Standard gebracht werden können. WBS 70 war mit 600.000 Wohneinheiten der meistgebaute Plattenbautyp in der DDR.

„Energiesprong“ auch für Kitas

Neben der Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde setzen 21 Wohnungsunternehmen aus ganz Deutschland auf das Projekt Energiesprong – nach niederländischem Vorbild haben sie inzwischen mehr als 110 Mehrfamiliengebäude, Einzelhäuser sowie Schulen und Kindergärten vor allem aus den 1950er- bis 1970er-Jahren saniert (www.energiesprong.de). Dabei werden Fassadenteile seriell vorgefertigt, um Arbeitskraft, Kosten und Zeit einzusparen. Ein erster Prototyp, der durch Photovoltaikanlage, Wärmepumpe, Lüftung und Dämmung mehr Energie erzeugt, als die Bewohner verbrauchen, wurde 2020 im niedersächsischen Hameln fertiggestellt.

Das bundesweit umfangreichste Energiesprong-Projekt läuft derzeit in Erlangen (Bayern). Gerade wurde dort die Sanierung von 132 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern aus den 1950er- und 1960er-Jahren der Gewobau Erlangen abgeschlossen. Weitere 475 Wohnungen sollen im kommenden Jahr in Erlangen-Süd auf den neuesten Stand gebracht werden.

So ein Energiesprung scheint dringend notwendig: Rund ein Drittel der klimaschädlichen CO2-Emissionen entstehen durch den Energieverbrauch beim Wohnen. Damit die Gebäude weniger Energie benötigen, müsste die derzeitige Sanierungsquote von einem Prozent in Deutschland verdoppelt werden – nur so können laut Experten die Klimaziele erreicht und bis 2050 rund 15 Millionen Häuser saniert werden, die aktuell bis zu fünfmal mehr Energie verbrauchen, als technisch notwendig wäre. Wegen fehlender Fachkräfte, hoher Investitionen und der Angst der Bewohner vor einem deutlichen Anstieg der Miete geht es damit bislang nur schleppend voran.

Die Kosten der Sanierung in Ludwigsfelde lagen bei 6,7 Millionen Euro, davon wurde ein Teil über Fördermittel finanziert. Die Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde hatte bereits bei der Planung entschieden, die Miete um maximal zwei Euro pro Quadratmeter heraufzusetzen. Sie hätte auch eine höhere Modernisierungsumlage festlegen können.

Mieter zahlen zwei Euro mehr Kaltmiete, gleichzeitig sinkt der Energie- verbrauch enorm.

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